reisebericht | karte
eine reise
die ich schon lange machen wollte, von freund zu freund, von weitendorf nach fulgenkoppel, bin ich vom 30. zum 31. dezember 2015 gereist. mit einem fahrrad und einer übernachtung.
luftlinie ca. 40km.
eine schöne reise mit kleinen fehlern…
der zug ist gegen 6uhr abends in schwerin. weiter geht die fahrt ´ne gute halbe stunde später per bus.
dieser pendelt wohl den ganzen tag zwischen sternberg und schwerin hinundher und kommt knapp 10 minuten nachdem ich an seiner haltestelle mein gepäck auf die haltestellenbank gestellt habe aus sternberg an dieser zum stehen. die hintere tür öffnet sich, alle fahrgäste entsteigen ihm. der fahrer schaltet motor und licht aus, macht einen kontrollgang durch sein gefährt und entsteigt ebenfalls.
er hat jetzt 20 minuten pause und verschwindet im bahnhofsgebäude.
ein einheimisch aussehender junger mann stellt sich zu mir in die haltestelle und möchte, dass ich glaube, er beachtet mich nicht und zündet sich fragenden blicks auf mein ungewöhnliches gepäck eine zigarette an. fragt aber nicht.
eine vierköpfige migrantische familie mit viel gepäck gesellt sich dazu. asiatisch.
das familienoberhaupt entdeckt die offene bustür und dirigiert familie und gepäck erfreut ins transportmittel.
ein gutes dutzend zusätzlicher reisewilliger erreicht in den nächsten minuten den busabfahrtspunkt und reiht sich nach mir und dem jungen mecklenburger in die reihe ein. darunter drei durch zeichensprache kommunizierende. vor die geschlossene buseingangstür. ich bin erster!
knapp 5minuten vor planmässiger abfahrtszeit kommt der busfahrer aus dem bahnhofsgebäude und betritt seinen bus durch die offene hintere tür.
und entdeckt in seinem bus die asiatische familie und fängt ein riesiges gemecker an. leider kann man nicht viel verstehen ausser: “alle leute draussen warten! nicht einsteigen! erst, wenn fahrer da! alle der reihe nach!”
und
“ein deutscher hätte sowas nicht gemacht!”
und völlig verständnislose erwiderungen: “ich bezahlen!” “draussen kalt!” “tür auf!” “warum in kälte warten, wenn tür auf?” “ich bezahlen!”
und dann bezahlt er und alle anderen wartenden betreten brav nacheinander den bus durch die jetzt geöffnete eingangstür, entrichten ihr beförderungsentgelt und setzen sich auf freie plätze.
ich als letzter, mag nicht gerne erster sein und lasse alle vor.
so kann ich denn die kommentare der zeichensprachler zum eben vorgefallenen “hören” und freue mich über ihren humor und ihre grinsenden gesichter und frage mich ein weiteres mal, warum ein deutscher sowas nicht gemacht hätte…
schön ist aber, dass der busfahrer jedem der unterwegs aussteigt einen schönen abend und einen guten rutsch wünscht. auch den gästen aus asien.
deutsche tugend wohl?
der plan zu dieser meiner reise existiert schon, seitdem ich start- und zielfreunde kenne, also seit vielen jahren. die idee, das grade jetzt zu machen allerdings erst seit drei tagen: nach extrem anstrengenden vorweihnachtsarbeitswochen und unerwartet harmonischem weihnachtstagen war die lust auf einen berlinlauten jahreswechsel total gering, quasi nicht vorhanden und die idee vom silvesterfest im 9-häuser-dorf geboren.
erst die anfrage in fulgenkoppel:”können wir kommen?” und dann die anfrage im familienrat:”darf ich vorfahren?” und dann noch die anfrage in weitendorf:” kann ich mir von euch ein fahrrad borgen?” und das eideutige “JA!” als antwort auf all diese fragen…
und schon bin ich unterwegs!
und dann ist da auch noch das traditionelle jahresendfest, immer am 29.12., mit lagerfeuer und bockwurst und livemusik im bahnhof weitendorf an dem ich bisher nie teilnehmen konnte. und als der bus mich kurz nach 7 entlässt “tschüss, schönen abend und guten rutsch!” schleppe ich meinen rucksack und die beiden gepäcktaschen fürs fahrrad zu den freunden und werde herzlich begrüsst.
mein plan sagt, dass ich um 8 aufstehe und um 9 losfahre und das fahrrad dann schon gepackt meiner harrt, dass ich also direkt nach ankunft bepacke und danach zum jahresendfest gehe…jedoch: das fahrrad ist nicht da!:
“da ist der bremsbaudenzug gerissen und deshalb hab ich´s zum fahrradladen nach sternberg gebracht.” “morgen früh um 8 macht der laden auf und dann hol ich´s ab!” und ich denke mir: hab ich gute freunde! heute abend party und morgen früh um 8 schon wieder für mich unterwegs! und ohne packen wird losgefeiert! ganz viele leute sind da, ich kenne fast keinen und erfahre, dass der bürgermeister vor zwei wochen gestorben ist und eigentlich niemand trauert.
der wecker klingelt um8, und als ich um halb9 aus dem fenster sehe steht da ein nagelneues hellgrünes zweirad mit altersgerechtem einstieg und ebensolcher drei-gang-nabenschaltung wie ein geschenk unterm vorhäusigen kiefernbaum: “der fahrradfritze sagt, dass das alte nicht mehr fahrtüchtig ist, das tretlager ist hin, damit kann er keinen mehr fahren lassen, das ist unverantwortlich!” “und da hast du jetzt ein werkstattersatzrad” und: “das muss am 4.januar wieder zurück sein.”
ich hatte gedacht, das rad in fulgenkoppel stehen zu lassen bis sich die gelegenheit zu einer rückfahrt ergibt und bin jetzt ein wenig irritiert: “wie soll ich das denn bis zum 4. schaffen?” “das mach ich dann schon, das hol ich dann da ab!”
mann hab ich gute freunde!!!
feines frühstück, rad bepackt und um 10uhr30 unterwegs, ein wenig später als geplant, dafür aber bei herrlichstem mecklenburgwetter: ca. 5grad, windstill und wintersonnig!
erstmal wieder nach sülten, danach dann halblinks auf dem waldlehrpfad zum langen see.
weil sich die abfahrt ein wenig verzögert hat verzichte ich auf den abstecher zu den beiden nachbarteichen und mache den nächsten halt an der brücke über die bahnstrecke nach rostock, danach dann scharf rechts direkt links neben den gleisen über den durch sie zweigeteilten sandsee.
da ham´ die echt den bahndamm direkt durch einen eiszeitalten see aufgeschüttet und den dadurch in eine grosse für mich durch den bahndamm getrennt nur schimmernd sichtbare und eine kleine zum tümpel “verkommene” wasserstelle geteilt und uralten gewachsenen mit modernem konstruierten “fluss” gekreuzt und was? geschaffen. dalang zu fahren macht spass bei diesem vielzuwarmen winterwetter. passt sich irgendwie alles an, langsam im naturtempo, vermodert und gedeiht. und der ice kann hier 250kmh! das reh grast am damm und föhnt sich im fahrtwind und nimmt das als gegeben hin und hat nur angst vorm jäger.
scharf nach norden abbiegend fahre ich am nicht erkennbaren faulen see durch leisen wald auf leisem weg leise und langsam und ruhig atmend zum asphaltweg in waldesmitte und dann auf diesem ostwärts zum megalithgrab klein görnow, einem steinzeitlichen findlingsmonument in dessen mitte ein neuzeitlicher kulturbanause einen fetten haufen geschissen hat.
bisher fast nur durch wald gefahren ergibt sich hier ein erster freier blick über die geliebte sanft gewellte endmoränenlandschaft und ich fühle mich ganz wunderbar in dieser jahresendstimmung. ein wirklich wunderschöner tag hat sich mich hier zum reisenden gewählt…oder umgekehrt.
und dann rase ich auf einer dieser zweispurigen betonlandpisten einen endmoränenberg hinunter und denke ein wenig zwiespältig: was ich jetzt runterrase muss ich wohl auch bald wieder hoch!
zwischen eickelberg und dem “naturdorf” eickhof verlasse ich dem radfahrer empfohlenen weg wiederum nordwärts in altgedienten feldpfad und freue mich über meinen schatten in wärmender wintersonne.
kurz bevor dieser pfad wieder auf einen grösseren bruder trifft zwingt mich ein kleiner see für den meine karte keinen namen weiss zu einer kleinen pause an seinem ufer. schöne wintersonne malt goldenes schilf und feindunkle gegenlichtsilhouette in meinen fotoapparat und erfreut sehr des wanderers gemüt.
dann geht es wieder ein kurzes stück richtung eickhof aber schönerweise zweigt noch vor erreichen dieses ortes wieder nordwärts ein wunderschöner alter weg, mehr eine allee, in meine zielrichtung von ihm ab. einen solchen weg benutzen zu können rechtfertigt jede etwaige strapaze, solche wege zu “entdecken” ist eine grosse freude, mir ein riesenvergnügen.
dann wird die allee gekreuzt und ich zweige laut meiner karte von ihr ab. nach rechts. es geht bergab und der weg wird matschig, verlässt den wald und verschwindet in einer feuchtwiese. in bin jetzt im fliessbereich der warnow. aber leider gelingt es mir nicht, bis zum fluss zu fahren: die uferwiese macht den eindruck eines gerade überstandenen hochwassers und zeigt sich dementsprechend besucherfeindlich. fahrradfahren ist nicht möglich, also schiebe ich es einige 50meter weit durchs feuchtgebiet bis ich den weg wieder erkenne als der sich auf einen hügel aus dem matsch zieht. ich bin sehr erfreut und mache noch ein foto zurück: geschafft!
wie unerfreulich die erkenntnis, dass der hügel tatsächlich nur ein hügel ist und der weg sich kurvig wieder in das feuchtgebiet verkriecht! wieder muss ich schieben! und das ist mit diesem arschlastigen fahrrad kein vergnügen: das hinterrad klebt verliebt im matsch, das vorne erinnert mich an ein steigendes pferd. aber egal! muskelkraft war schon immer die ehrlichste! wenn die vom alten mann auch ein wenig schwindelt…er keucht ganz schön unter dieser anstrengung!
der weg schreibt eine weite s-kurve ins warnowwiesenland und lässt erkennen, dass schwere landmaschinen ihn aktuell im matschigwerden intensiv unterstützen. wirklich sehr anstrengend.
nach der letzten kurve sehe ich den weg im wiesenbegrenzenden wald ansteigen und könnte mich freuen – wenn doch der anstieg nicht ganz so steil und treckerspurenmatschig wäre….
im tiefsten punkt vorm anstieg zweigt der eigentlich von mir auserkorene vom hauptweg ab aber ein kurzer blick überzeugt mich, die reiseroute zu ändern und das rad das kleinere übel nach oben zu schieben.
der hügel hat eine kuppe die ich dann doch irgendwann schweratmend erreiche und setze mich endlich wieder auf den sattel um die andere seite herunterzu fahren…geht aber nicht! das rad steckt im matsch und rollt nicht! absteigen. weiterschieben. bergab.
und auch wieder bergauf.
der treckerspurenmacher kommt mir entgegen. toll. kein platz zum ausweichen. also muss ich das rad ins wegesrandgebüsch hieven, denke ich als der trecker anhält, hupt und sein fahrer mir winkt ihm entgegen links vor ihm eine einfachere ausweichmöglichkeit, die ich von meinem standort nicht erkennen kann, zu nutzen. er zeigt mit einem finger dahin und wartet, bis ich da bin. danke! will ich sagen. es wird ein beidseitiges kopfnicken und der trecker fährt in die warnowwiese. wohl um die dort lagernden silageballen aufzuladen und abzutransportieren. ein flacher anhänger ohne wände an seiner anhängerkupplung lässt mich das vermuten.
nun bin ich denn von meiner geplanten route abgewichen und der zweite ort, durch den ich komme, ist deshalb nicht baumgarten sondern wendorf. aber die idee, so wenig menschen wie möglich zu treffen, wird davon nicht beeinflusst: keiner zu sehen auf meinem weg durch diesen ort. allerdings fahre ich jetzt nicht wie gehofft auf waldweg sondern auf asphalt. vier autos begegnen mir auf dem weg nach baumgarten, wo ich wieder auf geplanten weg gelange, zwei überholen mich. auch in baumgarten sind nur zwei leute zu sehen. ich fahre am gern besuchten, bis ostern geschlossenen cafe vorbei und bin dann wieder auf unbefestigtem feldweg. ein blick zurück fotografiert einen dieser so oft vorkommenden riesenreifenhaufen an dörflicher peripherie und wiedereinmal ist mir schleierhaft, wo soviel alte pneuummantelung wohl herkommt und warum die immer am dorfrand rumliegt. oft als beschwerung für was-auch-immer-plastikfolienabdeckung. aber das war schon immer so. manchmal werden einige der grösseren aufrechtstehend auf spielplätzen zur hälfte eingebuddelt und sollen da zu bocksprüngen oder reiterphantasien animieren. schön so. in meiner jugend hat das auf jeden fall funktioniert. manchmal hängen sie auch an eisenketten an rohrgerüsten und schaukeln. man kann sie auch übereinanderstapeln und sich in ihnen verstecken, auch lassen sie sich gut hügel herunterrollen, in teiche schmeissen oder anzünden. feines spielzeug! unverrottbarer müll. neulich hab ich mal im tv gesehen, dass man da auch häuser draus bauen kann: man braucht sie nur mit beton ausgiessen und in grossen mengen nebeneinander übereinander stapeln und ein dach drüber bauen, vielleicht aus plastikfolie…
ich fahre wieder auf wald zu und freue mich, da auf einen weg zu treffen, dem ich bis zu meinem angedachten nachtlager am trechower see folgen kann. so die theorie.
praktisch komme ich tatsächlich auf diesen weg und fahre auch ein stück auf ihm entlang. er fällt in eine senke und steigt wieder aus ihr empor, weit vor mir. ich sehe dort aus ebendieser senke einen pulk moderner fahrradfahrer in buntbeworbener funktionskleidung und neongrünen radlerhosen mit schnittigen helmen auf ultrabikes sich in mein gesichtsfeld schieben, weit vor mir. auf meinem weg. etwas entfernt vom wegesrand erblicke ich eine wasserfläche, halte an, blicke auf meine karte und sehe auf dieser einen weg, der an diesem wasser vorbei abkürzend in einiger entfernung kurvig wieder auf den grossen, meinen, weg trifft und fahre da lang. so treffe ich die bunten biker nicht.
die wasserfläche entpuppt sich als ein “Aufzuchtgewässer. Angeln verboten!”. aus ihm wird gerade das wasser abgelassen: zwischen zwei massiven betonpfeilern wurde ein auslass geöffnet und das aufzuchtgewässerwasser mäandert sich durch den wald in einem graben, dem man glaubt, dass es ihn schon sehr lange gibt. sehr spannend, hab ich so noch nie gesehen. und ich kann mir vorstellen, dass hier aufgezogene karpfen oder forellen oder…bestimmt lecker schmecken.
hinter der brücke über den mäandernden abfluss haben fleissige waldarbeiter mit grossen maschinen im umgebenden wald gefällte bäume in form gebracht und gestapelt. die maschinen haben den weg so zermatscht, dass ich ihn wieder nur schieben kann. find´ ich erstmal nicht so schlimm und schiebe. dann aber, wo die maschinen mit ihrer arbeit aufgehört haben, ist der weg plötzlich nicht mehr da. fetter matsch und danach nichts. aber nach dem motto “vorwärts immer, rückwärts nimmer” vermute ich, dass der maschineneinsatz den ursprünglichen weg nur verlegt hat und hinterm nächsten hügel sich alles wieder fügt. schliesslich ist das ja auf meiner karte so gezeichnet. aber nein, nach besagtem hügel ist der wald nur noch wald! wunderschön! bäume sind gefallen, wie sie gefallen sind, keiner hat sie weggeräumt. es sieht sogar so aus, als ob manche von ihnen auf eventuell mal gewesene wege “gelegt” wurden, um jedwedes durchkommen zu verhindern. aber wie gesagt: “rückwärts nimmer!” und so schiebe und hieve und breche ich weglos schwitzend und keuchend in richtung des vermuteten hauptweges durchs gehölz. und wenn der zuständige revierförster seinen wald absichtlich so zugerichtet hat, dass mensch hier nicht sein soll, so kann ich mich nur rechtfertigen: verdammt nochmal, ich bin doch auch ein teil hiervon! und finde den hauptweg ziemlich abgekämpft erst ´ne halbe stunde später. und brauch´ dringend eine pause auf dem ü40-hocker.
aber nur kurz und weiter gehts! nach einer waldlichen unebenheit, die so unnatürlich geometrisch aussieht, dass ich eine alte slawenburg vermute (sowas passiert mir oft, seitdem ich von den slawen in mecklenburg lese…) überquere ich die strasse von neukloster nach bützow und folge weiter dem weg zum trechower see. waldarbeiter sind zu hören. motorsägen. ein auto steht am wegesrand, ein kombi mit geöffneter heckklappe. dadrin sitzt ein grosser brauner hund. kein mensch weit und breit zu sehen, nur zu hören. der hund sieht mich und fängt an zu knurren. und zu bellen. und kuckt grimmig! ich wünsche ihm einen schönen tag: “feiner hund, pass schön auf! ja, ganz fein, feiner hund…!” das scheint ihm zu gefallen: er greift nicht an!
von hier an wird der weg dann richtig scheisse: regelmässig beidseitig vom weg in den wald geschlagene maschinenschneisen und daraus kommende tiefe maschinenspuren haben ihn förmlich zerkaut: kein ebenes stückchen mehr da, alles nur noch matsch, auch kein rand, auf den man ausweichen könnte, alles zertreckert! und als krönung eine geschlossene schranke, rechts ein graben, links perfekt drapierte findlinge! da kommt man nicht durch, wenn man kein fussgänger ist oder sein fahrrad rüberheben kann! ich krieg meins ob seines unvorteilhaft verteilten fetten gewichtes und meiner schwäche nicht wirklich angehoben und hieve, zerre, schiebe, wrange, stemme, kämpfe uns dadurch und brauche danach schon wieder eine hockerpause! und bin echt froh, dass ich das geschafft habe, ohne irgendwas vom geborgten gefährt abgebrochen zu haben.
dann steigt der weg in meine richtung nach einem abzweig so steil und zerfurchtmatschig an, dass ich nach einem blick aufs kartenmaterial beschliesse, mir das nicht anzutun und zum zweiten mal an diesem tag vom pfad abweiche. diesmal aber mit argen folgen: ich verfahre mich!
als der wald zuende ist und ich eigentlich die ortlose auffahrt auf die schlemminer chaussee erwarte, finde ich mich stattdesen im ort schlemmin!
ob des sonnenstandes ziemlich blöd! es wird langsam zeit, das nachtlager zu suchen, es geht auf 16uhr zu, denke ich (ich habe keine uhr). der angedachte übernachtungssee ist jetzt ganzschön weitweg!
und nach schlemmin verpasse ich schon wieder den richtigen weg! und lande in bernitt! und das ist so ein langgezogenes strassendorf (4bushaltestellen in einem dorf an einer strasse!), zieht sich ewig! und dann fahre ich auch nicht nach penzin, wass sinnvoll gewesen wäre, sondern biege auf die l11 nach kröpelin ab! das nenn´ ich mal blöd!: 3mal falsch gefahren in einer stunde! da war so ein wenig nachtlagerpanikkurzschluss: wenn falschfahren, dann aber richtig! und so fahre ich die l11 in der hoffnung, irgendwo von ihr in einen feldweg abbiegen zu können…aber ich finde keinen (ausser dem zur schweinemastanlage, aber den will ich nicht)!
allerdings hätte ich auch nicht erwartet, auf dieser tour mal richtig schnell zu fahren, das geht jetzt aber auf dieser piste und ist irgendwie auch nicht ohne reiz; macht richtig spass mit diesem nagelneuen 3-gang-nabenschaltung-damenrad…
der erste sich bietende abzweig ist der auf die “lange strasse” nach klein-belitz, und den nehme ich. und dann auf der linken strassenseite ein kleines waldstück an dessen rand ich gefährt und gepäck entlangschiebe bis wir alle ausser sichtweite der strasse sind. muss ich erwähnen, dass das matschig war und anstrengend? nachtlager!
der tag verschwindet rasch in dämmerung und zum zeltaufbau brauch´ ich die stirnlampe.
schnell steht mein haus und brennt ein feuer: altes holz liegt viel herum, es brennt nicht lange, aber schnell. es qualmt und wärmt. ein vorteil der witterung ist, dass ich mir keine grossen sorgen wegen der waldbrandgefahr machen muss, ein nachteil, dass der ü40-hocker schnell im waldboden versinkt wenn der alte mann sich niederlässt. so steht der denn im rauch und wartet, dass das wasser kocht, gibt rum hinein und freut sich sehr, dass er da ist, wo er ist. und isst:
6liter wasser in vier plastikflaschen (=?), ein käseklumpen von 400gramm, ein eimer voll minibockwurst und -salamis (normal und hot), wohl auch 400gramm, 1 packen milchbrötchen (12stück) und 0,4liter strohrum40 begleiten mich auf dieser fahrt und werden nun zu meiner freude und erbauung dezimiert. auch dabei: eine tüte Grossmutters Geheimnis …das aber heute nicht gelüftet wird.
eine feine erkenntnis dieses lagerabends: milchbrötchen schmecken um vieles besser, wenn sie kurz ins feuer gehalten werden!
dicke rindenstücke unter den drei hockerbeinen verlangsamen das einsinken in den waldboden erheblich und so sitze ich auf ihm, das kleine feuer zwischen den ausgestreckten beinen, milchbrötchen am spiess, heisser rum im blechnapf…wohl bis 10 und freue mich in dunkler nacht des daseins und sinniere…
so wirklich dunkel ist sie nicht, die nacht: ein heller halbmond durchwandert sie und viele rote lampen blinken wild durcheinander überall um mich herum: die warnleuchten alternativer energiegewinnung hochoben am stählernen windradmast überm flachen land. sie warnen wohl auch davor, nicht gegen sie zu fliegen und lassen hoffen, dass irgendwann auch vögel das verstehen…
und so erwache ich dann am letzten tag des jahres 2015 gegen 8 und friere: frost ist ins land gefallen und hat es hart gemacht. dazu weht ein wind. in der nacht hörte ich ihn kommen, er ist eisig. die morgenluft ist klar, mein atem weit sichtbar und der spiritus im kocher fängt nur sehr widerwillig an das gefrorene letztenachtrestwasser im snusk-burk-topf zu erwärmen. aber er tut´s. ich öffne derweil die letzte wasserflasche (zwei hab´ ich verkocht, mit einer das feuer gelöscht) zum zähneputzen. in weiser voraussicht hab´ ich die flasche im zelt gelagert – sie ist nicht gefroren aber trotzdem ist ihr inhalt zur mundhygiene eindeutig viel zu kalt! aber da muss ich durch. zelt und schlafsack sind schon verpackt und ans rad montiert als das morgenteewasser endlich kocht. der käseklumpen ist tiefgefroren, die würstchen kann man maximal lutschen: salamieis…
gestern war der weg übers feld matschig, heute ist er gefroren – das schiebt sich auch nicht besser! macht aber nix, ich bin wieder unterwegs: bis neukirchen noch auf asphalt, danach dann endlich wieder feiner landweg. der wind ist weit weniger unangenehm, als befürchtet – und bald verschwindet er fast vollständig in einem sonnigen wintervormittag leicht unter 0grad. langsam und entspannt mit lächelndem gesicht unter roter pudelmütze gleite ich dahin auf meinem hellgrünen pony. so einfach geht glück!
und rundherum alles voller windräder, in welche richtung man auch sieht. manche noch klein, ohne blinklicht am kopf.
mein weg führt mich durch den kleinen ort wokrent. und hier sind die bewohner wohl ziemlich unzufrieden mit der windenergiebeschaffungspolitik – an vielen häusern und zäunen und… hängen die forderungsparolen: “Es reicht! – Keine Windparks mehr vor unserer Tür!” (sinngemäß) und es ist weithin sichtbar, dass sie recht haben und allgemein bekannt, dass windparkanwohner meist nichts haben von diesen anlagen ausser schlechter sicht. und toter vögel.
es ist sicher wahr, dass windenergie besser ist als fossile oder gar atomare – aber schön ist anders.
wenn ein windpark anliegende bewohner kostenlos/-günstig mit energie versorgen würde, ja dann….wär´s trotzdem noch unschön.
offiziel sind wir ja alle durch die bank grosse freunde des umweltschutzes und gegner von atom und co2 und co. aber wenn wir ehrlich sind, sind wir das nur, wenn daran verdient werden kann. so ist nunmal die natur dieses unseres fragwürdigen systems. und mit “uns” meine ich natürlich nicht dich und mich, sondern uns!
und mit windenergie kann man wohl richtig fett verdienen, weniger mit der energie, wohl aber mit dem aufgeblähten drumherum. und wenn da jemand kommt und sagt “Es reicht! Schluss damit!” sollte das unterstützt werden, von dir und von mir – aber es ist und bleibt ein kampf gegen windmühlen!
und wenn wir den gewinnen brauchen wir wahrscheinlich wieder atomstrom! oder biogas aus china.
und dann kommt die autobahn.
ich unterquere sie hinter wokrent auf schon erwähntem feinen landweg.
vielleicht erinnert sich ja wer an meine fotos von den bienen von satow? eine der beiden grossen treffe ich gleich und freue mich sehr darauf. es ist wirklich eine reise von freund zu freund, die ich da gerade reise.
hinter der autobahnunterführung ist dann auch schon der kirchturm von satow zu sehen und dass ich einem grösseren ort mich nähere erkenne ich auch an mehreren hundehaltern, die mit ihren lieblingen mir begegnen. gassi geh´n – was für´n komischer begriff.
noch den berg hinterm tal des mühlbach´s hoch und ich bin da.
der kaffee mit dem vanillearoma war wie immer ein genuss! genau wie das dazu geführte vormittägliche gespräch. wirklich feine freunde hab ich! was für ein glück!
der himmel hat sich zugezogen, das licht ist geschwunden, die sonne nicht mehr zu sehen als ich freundeshaus verlasse und fröhlich winkend wieder auf´s rad steige. auf asphalt richtung rederank, wiedermal an einer vermuteten slawenburg vorbei bis zur kreuzung mit den zwei banklosen bushaltestellen. hier mache ich eine kleine pause. der ort liegt hoch im welligen ackerland und ich habe einen schönen rundblick über selbes. der wind weht hier wieder frischer ins gesicht und ich atme feine feuchte luft unter wunderschönem grauen himmel.
ganz gemütlich radle ich durch püschow nach reinshagen. eine fröhliche familie mit vielen kindern fahrradiert ihren silvesterausflug an mir vorbei. alle winken mir zu! ich zurück.
in reinshagen folge ich dem wegweiser zum sportplatz und bin dann auf dem wirklich letzten weg zu meinem ziel. wieder ein schöner unbefestigter, den kenn´ ich schon von früheren ausflügen. aber jeden weg kann man ständig hinundher fahren und wird trotzdem immer neues sehen, wenn man will – und ich will auf jeden fall!
ich habe noch geschätzte 2stunden zeit, wenn ich wie angedroht um3 ankommen will und entscheide mich deshalb für eine längere pause an der einzigen bank auf diesem weg. die biene in satow hat mir frisches heisses wasser in meine halbliterthermosflasche gekocht und so nehme ich denn auf dieser bank feierlich einen silvesterrum. und dann noch einen. ich sitze auf der bank und geniesse mein schönstes land der welt.
der letzte teil des weges führt mich wieder durch wald. irgendwer hat hier eingeweide, behufte beine und exkremente eines nicht mehr definierbaren paarhufers an den wegesrand gekippt und ich bin froh, dass alles gefroren ist und deshalb nicht riecht…und frage mich ob´s hier wilderer gibt, da ich mir das anders nicht erklären kann, will.
einmal noch kreuze ich asphalt und als ich da rüber bin, bin ich im mir bestens bekannten moorwald. das erste moorloch gleich hinterm asphalt habe ich in guter erinnerung: hier gelang mir vor vielen jahren mein erstes froschportrait, noch analog, das als vergrösserung im heimischen wohnzimmer hängt. heute zeigt sich mir das wasser in gefrorenem grün. am nächsten wasser bin ich kurz entsetzt: alle bäume, die in ihm standen sind frisch gefällt und liegen massgeschnitten am wegesrand! ein wenig traurig macht mich das, aber optimist wie ich bin denke ich, dass der förster hier moorwiedervernässung betreibt und demnächst auch die stubben entfernt. wenn ich ihn mal wieder treffe, werde ich danach fragen.
ja, und dann bin ich da! aber noch ist´s nicht drei und ich habe auch noch keine lust auf warmes haus und fahre am ziel vorbei zu der stelle, wo ich mein erstes kranichfoto machen durfte. da steht auch ´ne bank und ich habe noch einen schluck rum und einen warmes wasser.
prima kombination!
der wind ist noch ein wenig frischer geworden, das licht noch ein wenig mehr geschwunden und feinster eisiger niesel setzt ein: mecklenburgwetter! ich stelle mich mit meinem becher aufs freie feld und lass´ mir das um die ohren hauen! wunderbar!
ein auto fährt am feld entlang auf mich zu und hält: frau und kind sind aus der grossen stadt im kleinen dorf angekommen! das timing ist perfekt! nur wenig später sind wir alle zusammen in freundes haus und freuen uns auf´s neue jahr!
nachsatz
mit mühe bis mitternacht wachgeblieben, eine wunderkerze auf´s 16. 2000er angezündet erwache ich gegen 9 und sehe aus dem fenster dichtesten nebel, mein lieblingsfotografiernaturphänomen. aber ich gehe nicht raus, dieser morgen gehört familie und freunden. um so schöner ist, dass der nebel den ganzen tag nicht verschwindet und so dicht ist, wie ich selten einen erlebt habe! und so ergibt sich dann am nachmittag kurz vor der heimreise doch noch die möglichkeit zu einer fototour! ich nenne das perfekten start in´s neue jahr und bin sehr gespannt, was da noch kommt…
reisebericht | karte
Lieber Marko,
das ist ja ein megalanger Text, den ich so nicht in Gänze auf 1x lesen kann. Mit wunderbaren Landschaftsfotos (nur die mit den Bahngleisen bräuchte ich nicht eben), die einige Emotionen merken lassen und beim Leser auslösen.
Ich bin auf die nächsten “Reise”-Dokus und Bilder von Dir gespannt!
Herzlicher Gruß
Ina
die Bienenfrau oder-hüterin, wenn Du so willst
Danke für Deine Reaktion…ich freu´mich auch.
Und was die Bahnbilder angeht: ich bin nun mal ein Junge…:-)