buero

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nach der spontantour 08/15 jetzt also nochmal die warnow ab bützow:

der bützowsee ist ruhig und wellenarm als ich in der dunkelnden dämmerung gegen halb8 endlich losfahre. das boot liegt schön im wasser: der gegengewichtskanister im bug gefällt mir gut. ich probiere das doppelpaddel, werde aber nasser als gedacht…aber is´ ja auch nicht nötig: wind isnich…
aber ich hab´ bock drauf!
in zufriedenen gedanken versunken nehme ich ein nebenbeigeräusch war: als ob jemand auf einer halbvollen bierflasche bläst. es dauert ein wenig bis ich die balzende rohrdommel realisiere, aber die begeisterung darüber ist dann umso stärker! ich höre auf mich zu bewegen und lausche…
und überhaupt ist die euphorie gewaltig: prima reise, prima abendgespräch, prima wetter: leicht windig, um die fünfgrad und wolkig: in drei tagen ist vollmond aber jetzt ist die kugel nicht zu sehen, nur ihr schein: ein eigenwilliges licht leitet die nacht ein als ich aus dem see in die temse stechpaddle:
wie eine glocke liegt die wolkenschwere dämmerung über dem land, kein licht kommt da durch. aber die wolken reichen nicht bis zum boden und so hat die ganze gegend einen gelbgrauen mondlichtschleier zwischen sich und der oberschicht, grandios!
unter der temsestrassenbrücke will ich wie beim letzten mal anlegen, finde aber nicht die richtige stelle und treibe vorbei. irgendwas ist anders als im letzten august, aber noch bemerke ich das nur und denke nicht drüber nach.
kurz nach der brücke lande ich an der stelle des ersten fotos der letzten tour an und stelle fest, dass das uferland völlig wasserschwer matschig ist und versinke bis zu den knöcheln. könnte schwierig werden, einen guten lagerplatz zu finden…denke ich kurz und beantworte auf den fluss blickend die augustfrage ob die temse ein fliessgewässer ist oder nicht mit einem eindeutigen “ja”.
ich zieh´ mir die regenhose und den alpakapullover über, das dicke langärmlige unterhemd und die unterhose unter und rufe meine frau an: “schatz, das ist der hammer hier: ich hab´ mich grade warm angezogen und freue mich auf meine erste nachtpaddeltour! der fluss leuchtet schwarz zwischen seinen grauen ufern wie eine verlockung, der zu folgen mir ein riesenbedürfnis ist!!!”
“schon wieder zu viel bier getrunken?
aber ich gönn´ dir deinen spass!!!”
in der tat greife ich zum inzwischen dritten bier des tages, als ich aus der temse in die warnow fahre: “prost fluss, da bin ich wieder! schön, dass du auf mich gewartet hast!”
und ich greife auch zum doppelpaddel und bin richtig fix unterwegs.
in der nacht auf dem lieblingsfluss ist so ein unglaublich schönes sein, dass ich zu singen anfange…
paddel links. paddel rechts
“this is groundcontrol to major tom
take your proteinpills and put your helmet on…”*
ich schwebe durch eine wunderschöne mecklenburgnacht, von den roten blinklichtern der riesenvielen riesenwindräder beidseitig flankiert…total geil!
“it rains allnight
and the whole bright day
not very strong
but without break…”

die nachtufer fliegen vorbei und ich beschliesse mein schlaflager an der im august entdeckten dorfbadestelle mit dem seil und der leiter und bin ein wenig erstaunt, wie schnell ich da bin. halb10.
ich lande problemlos unter dem seil, nur: die leiter seh´ ich nicht. is´ mir aber erstmal egal.
das ufer an diesem begradigtem flussabschnitt ist fest und trocken, das hinterland moormässig vollgesaugt matschig.
als letztes will ich den gegengewichtkanister an land bringen, alles andere liegt da schon und harrt seiner weiteren verwendung.
ich denke mir:´wenn ich diesen schweren klumpen aus dem boot an land hieven will muss ich mit starker reaktion des bootes rechnen und glaube, dass ich das schaffe, wenn ich den kanister mit beiden händen ans ufer hebe und gleichzeitig mit einem bein selbiges betrete und mit dem anderen das boot im zaum, also am ufer halte. es wird ein wenig in den fluss kippen, wenn ich die dreissig kilo kontergewicht aufs land schmeisse, aber das kann ich ausgleichen, krieg ich hin.
dumm nur, dass das boot nicht wie erwartet beinschwerpunkgleichmässig in den fluss sich neigt sondern an einem nicht entdecktem hindernis hängen bleibt und seine abtriebsrichtung schlagartig ändert: weil das nicht erkannte hindernis am vorderen teil des bootes sich befindet schlägt das heck ans ufer und die spitze entfernt sich weitaus schneller und weiter vom selben, als gedacht und so finde ich mich plötzlich fast im spagat mit einem bein am ufer und dem anderen im boot völlig unstandahaft mit dem fetten gewicht in meinen händen und lasse es los, schnappe nach einem uferbaumast und kann geradenochso das bootsbein zum uferbein ziehen und knapp einem sturz ins doch noch sehr kalte warnowwasser entgehen. aber der kanister ist weg! abgesoffen!
oh kacke! aber schön zu erleben, wie der fluss mir zeigt, dass er genau beobachtet werden will, wenn man ihn benutzt!
einmal überheblich ignoriert und euphorie wird zum disaster!
aber irgendwie denke ich mir, dass es doch auch spannend gewesen wäre, wenn ich statt meiner das kontergewicht gerettet hätte und die notfallmittel hätte testen dürfen…musste ich bisher nie…
aber ging ja nochmal gut.
nur der kanister ist weg.
ich taste mit einem paddel nach ihm, kann ihn aber nicht finden: scheisse tief hier!
ich ruf den verleiher an: “du, mir is grad der kanister in die warnow gefallen; muss ich jetzt danach tauchen, oder kannst du den verlust verkraften?”
“du bist in die warnow gefallen?”
“nein, nicht ich, der kanister mit dem gegengewicht”
lacht: “nee, den will ich wiederhaben, geh´ mal tauchen!…
…quatsch, is egal! ich wünsch dir ´n schönen abend”
ich kram die stirnlampe aus meiner beuteljackentasche und kucke, welch hindernis im fluss mir diesen streich gespielt hat und entdecke zwei stahlrohrenden, die knapp 10 centimeter aus ihm kucken: die leiter!
ich habe den verdacht, dass der wasserstand des lieblingsflusses heute etwas höher ist, als beim letzten mal…
und dass er sich ein stück kunstufer zurückgeholt hat. oder sie. die warnow.

wieder baue ich das bewährte boot-planen-lager und suche mir danach holz für ein kleines nachtfeuer.
nur auf einem 5meter-streifen direkt am ufer ist das möglich, dahinter is´ sumpf.
reicht aber: genug brennmaterial für viele feuer.

des alten mannes wichtigstes utensil bei aufenthalten im freien ist, wie an anderen stellen wohl schon mehrfach erwähnt: sein hocker! ohne ihn zu reisen ist der vergehenden jugend und den immer mehr werdenden zipperleins der reife wegen frevelhaft und sehr spassbremsend!
wie der aufmerksame leser sich erinnern wird, ist mein klapphocker bei der diesjährigen wintertour im januar zerbrochen…nein, nicht meines gewichtes wegen sondern wegen seiner stümperhaften billigproduktion!
und der als ersatz gedachte ältere aus dem outdoorschrank (ja, sowas hab´ich!) zerreißt vorgestern beim probesitzen…ich geb´ja zu, dass bier und büro die körperform verändern, aber nein, es ist wirklich nicht das gewicht!
und nun hatte ich ein arges problem: kein hocker!
neben unserer badewanne steht so´n teil aus zwei u-förmig gebogenen, in der gekreuzten mitte verschraubten stahlrohren und einem obendrauf geschraubten plastikdeckel. da liegt immer der lesestoff des jeweils badenden drauf, oder sein getränk steht da..
dieses ding hab´ich auseinandergeschraubt, den deckel in den rucksack gesteckt und die rohre aussen rangebunden. besser als nichts! denke ich mir, als ich den rucksack aufsetze und die rohre klappern höre, die eigentlich zu breit sind, um sie am sack richtig festzumachen.
und jetzt baue ich ihn wieder zusammen; hier am warnowufer ende märz. wie erwartet versinken die dünnen stahlrohrbeine im boden, aber nicht so weit, dass man nicht mehr sitzen könnte – eben weil ich ja so schwer nicht bin!

zwei bier sind noch da, dazu gegrillte milchbrötchen mit leberwurst aus der dose und altmecklenburger käse vom klumpen…was braucht man mehr…
gegen mitternacht schlafe ich zufrieden ein.

sonnenaufgang soll so gegen halb7 sein, also weckt mein wecker um6. es ist ziemlich dunkel, als ich ein erstes auge riskiere und der horizont zeigt sich trüb. trotzdem stehe ich halb7 am ufer und freue mich auf diesen nächsten tag. die ersten fotos dieser tour sind ohne stativ eigentlich nicht machbar aber ich mach sie trotzdem.

wie befürchtet geht die sonne nicht auf, jedenfalls nicht orange oder rot – es ist zu diesig. kurz vor sieben bin ich wieder auf dem fluss.
und wie oft erweist sich auch heute die not als tugend: der “ersatz”hocker steht zusammengebaut vor meinem sitz und zeigt sich als prima tisch! und macht die fahrt noch komfortabler. siestewohl! den neh´m ich jetzt immer mit! …vielleicht.
es wird eine angenehme und sehr ruhige fahrt.

die im august noch so mächtigen schilfgürtel sind jetzt zum beginnenden frühjahr nur wenig vorhanden und ich kann durch sie hindurch oder über sie hinweg das land dahinter sehen und auch erkennen, dass die warnowufer gar nicht so unerreichbar sind, wie angenommen: eigentlich könnte ich fast überall anlanden und aussteigen. ich hoffe, dass alles wieder ganz schnell nachwächst und die schilfwände bald wieder die grösse und dichtheit erreichen, die dem vorbeikommendem sagt:
‘hier kannst du nicht an land gehen, hier geht das nicht!’
‘hier kannst du deinen dreck nicht abladen!’

‘na und, dann schmeiss ich ihn eben in den fluss!’

aber es sind ja nicht alle so…(aber wenn ich alles eingesammelt hätte, was nicht zum fluss gehört, wäre ich spätestens in schwaan untergegangen…)

‘und hol den kanister aus dem fluss!’

es ist wiedermal ein wahres vergnügen, sich diesem gewässer hinzugeben: eine menschenleere tiervolle entspannende einsamkeit bewegt sich mit mir ganz langsam durch weit entferntes drumherum. von den zehen bis zum längsten grauen haar bin ich ein einziges lächeln. aber es ist ein wenig frisch, nur wenig über nullgrad, und deshalb lande ich mehrmals an, um mich zu bewegen. und da ist es schön, dass die knappe vegetation blicke ins uferhinterland ermöglicht und dem neugierigen bootsmann immerzu interssante orte dafür vorschlägt.und so entdecke ich das schöpfwerk kassow und die dazugehörige trafostation. wie später recherchiert 1952 im zuge der vergewaltigung der warnow zur entwässerung des hinterlandes errichtet und auch jetzt noch den angedachten dienst verrichtend: ordentlich strömung strömt mir entgegen, als ich den stichkanal zu diesen mecklenburger baudenkmälern wohl 100meter ins uferland fahre. schön hier! morgens um9 am 3.samstag des märzes 2016: windstill und diesig, kraniche in der luft und gänse auf peripherem feld machen die musik zu diesem film. kein mensch weitundbreit. ich sehe meinen atem in klarster nebelluft und sauge frische in meine lunge.
und zünde mir eine zigarette an.
am gegenüberufer stakt das im august witzige ankerplatzschild aus den schilfresten und erscheint jetzt gar nicht mehr so deplatziert: ich kann daneben tatsächlich anlanden und entdecke massenhaft bibergefällte jungbäume: alles voller späne; und matschige pfade führen ins wasser oder daraus.
und kurz nachdem ich wieder im boot sitze wuselt ein braunes gehopse am ufer rum: ein mink! böser russischer einheimervertreiber! aber von mir bis dato nicht gesehen! vier beine in feinstem pelz mit riesenschwanz hopsen da am ufer lang, sehen mich und ignorieren mich – keine gefahr! begeisterung auf seiten des zweibeiners.
aber es ist ein wieseltier und dementsprechend flink und für mich nicht fotografierbar.
der pelzige kollege begleitet mich eine ganze weile: immer am ufer lang, ohne stop ins kalte wasser, wieder raus und am ufer lang. dann ist er hinterm schilfrest verschwunden. schade…denke ich mir, als er wieder auftaucht und direkt vor meinem boot quer durch die warnow das ufer wechselt. da klettert er dann auf einen hügel aus ästen…das ist doch nicht..? doch, das ist eine biberburg! eine kurz über dem boden am ufer angebrachte wildkamera bestätigt mir das.
da würd´ ich ja gern mal reinkucken…mach ich aber nicht. der mink auf der burg wäre wirklich ein sehr feines fotomotiv! aber nicht mit meiner technik…

aus dem nichts kommt wind auf! von hinten! ich bin plötzlich richtig fix unterwegs…
‘mensch’, denk ich mir ‘film´das doch mal! genau! meine kamera kann auch filmen, sogar in hd! jaja, kann sie…aber ich habe keine ahnung, wie das geht, hat mich noch nie interessiert…ich stell´ also das gerät auf meinen prima tisch(hocker) und richte sie aufs ufer und drücke den auslöser und: nix passiert! da muss es wohl einen anderen knopf für geben. ich probiere einige aus und gebe das dann auf. schade, war ´ne feine idee.
wie überrascht bin ich, als ich etwas später ein misslungenes foto löschen will und dabei einen 34sekunden langen film entdecke! und so präsentiere ich hier voller stolz mein erstes video:

schöner film, ne? und wirklich sehr schnell für die untere warnow!
am ende meines blickfeldes voraus taucht die kambser brücke auf, und am ufer wieder mein pelziger freund…der is´also immernoch da! schön so! wohl knapp einen kilometer begeleitet er und erfreut mich…
wie im august will ich mich vom fluss durch die brücke treiben lassen und hoffe, wie beim letzten mal hier wieder den otter zu treffen…treff ich aber nicht, schade.
und hier wird jetzt richtig deutlich, dass der fluss viel schneller fliesst als dunnemals: nicht mal 10 minuten brauche ich für den weg der damals eine stunde mich begeisterte.

und dann, kurz nach dem mäander, wieder krach vom ufer! diesmal holzfäller, wieder an der gleichen stelle! wieder samstag vormittag! ich nenne diesen flussabschnitt ab jetzt das “industriegebiet”! der krach nervt! aber muss wohl gemacht werden…

auf meinem (hocker)tisch liegen salamisticks und oliven, auch ein tässchen tee steht da, aber langsam brauch ich was richtiges zu essen und beschliesse, am burgwall werle eine längere rast mit erbsensuppe und gemütlichkeit auf historischem boden! das wird ein fest! ein festmahl für niklot, den letzten helden aus meinem schönsten land der welt!
und nicht nur des holzfällerkraches wegen werde ich ein wenig schneller und fahre ohne pause bis zum anleger am geschichtsträchtigen ort…

ich bringe meinen fresssack zum tisch neben dem gedenkstein und lege mein kissen (ja, auch das braucht der alte mann! zumindest, wenn´s kalt ist) auf die bank, packe den kocher aus und erlebe eine böse überraschung: da hat doch tatsächlich einer vergessen, das kochgeschirr zu putzen! wenn ich den erwische! der kann sich warm anziehen! der arsch!
und ich rekapituliere den tag des letzten kochereinsatzes: das war doch der tag, an dem auch der hocker zusammengebrochen ist, damals im januar am wustrowsee, als ich diesen ekelhaften jägertopf gekocht habe! das ist jetzt also genau 64tage her! 64 tage hatte also der schimmel zeit, sich zu entwickeln! er tat das prima und mir wird zum zweiten mal übel von diesem scheiss jägertopf!
und nu? ich versuche mit klopapier zu putzen, bringt aber nicht viel, also füll´ ich den topf bis anschlag mit wasser, den kocher bis anschlag mit spiritus und koche bis der kocher leergebrannt ist lecker schimmelsuppe!
3mal mach ich das ganze. und dank der leute, die vor mir hier waren finde ich ohne langes suchen (gleich da neben den vollgeschissenen windeln und den plastikbechern) einen lappen um den rest im warnowwasser wegzuwischen;
die vierte füllung wasser kocht dann endlich wieder klar und ohne sichtbare brocken oder sonstwas und wird in die thermoskanne umgefüllt. genau eine tasse wasser bleibt übrig und da kipp ich einen ordentlichen schuss rum rein!
neh´m ´n schluck – und spuck ihn gleich wieder aus: überdosis! den rest aus der tasse kipp ich weg: fürs land! auf die geschichte!
auf erbsensuppe hab´ich jetzt keine lust mehr – ich habe in der kochzeit reichlich käsebrötchen und salamis frustgefressen!
und zwei tonnen fotos gemacht, die keiner braucht.
tschüss niklot! du hattest sicher auch solche tage!

grade wieder auf dem fluss kommt zum ersten mal an diesem tag die sonne durch die mecklenburger wolken! wie um zu sagen: ‘kopf hoch, is´ doch alles halb so wild!’
recht hatse! der fluss ist phantastisch und ich prima gelaunt! der zweite rum ist wohldosiert und schmeckt wie die ganze reise: superb!

weiter geht es bis schwaan sonnig und gemütlich. auf dem tisch dampft die rumtasse. aber ein wind kommt auf, in böen, oft unerwartet und stark, so dass ich ratzbatz ins schilf gedrückt würde, passte ich nicht auf! so muss ich abundzu kräftig paddeln, um den kurs zu halten.

da, wo die bahn ganz nahe kommt, treibt am gegenüberschilfrand ein blauer kanister! der sieht genauso aus, wie der von mir versenkte, nur sein deckel fehlt. ich überlege, ihn mitzunehmen, aber als ich ihn dann habe sagt meine nase: ‘auf keinen fall!’ und so fährt er mit mir nur bis zur badestelle am anderen ufer und wird dort abgestellt. in der hoffnung, dass nicht gleich jemand kommt, und ihn wieder reinwirft in den fluss.

am zeltplatzufer in schwaan wird schwer geschafft. ich sehe zwar niemanden was tun, aber leute im arbeitsanzug und dreimalsoviele in feinem zwirn stehen rum und diskutieren. so wird ja bekanntlich heute gearbeitet, daher meine annahme, dass hier bald grosses entsteht…vielleicht ein gemähter rasen oder ein geharkter strand?

nun habe ich also die hälfte meines weges geschafft und alles, was ab jetzt kommt, hat die warnow mir noch nie gezeigt.
zuerstmal durch schwaan: ich hätte hier die möglichkeit, über alte torfstiche eine flussbiegung zu schneiden, entscheide mich aber dagegen: ich will warnow! und ausserdem werden die windböen heftiger und häufiger, da erscheint mir eine offene wasserfläche unpassender als der fluss.
das war eine fehlentscheidung! das backbordufer ist stark bebaut, häuser dichtgedrängt bis an den rand des flusses. das mag zwar schön sein, hier zu wohnen, aber vom wasser her ist der anblick nach der bisherigen furiosen natur eher störend und unangenehm, zumal ich durchs ufergesträuch am anderen ufer wildes vogelleben auf den torflöchern erahne.
was soll´s, nächstes mal weiss ich´s besser.
wenige leute sind zu sehen, aber die kucken allesamt grimmig zu mir: ‘oh’nee, jetzt geht das schon wieder los mit diesen paddlern!’
und ich kann sie verstehen.
nach dem bogen ist dann das steuerbordufer das bebaute, bis zur neugebauten strassenbrücke, da sind´s dann beide.
hier wollte ich eigentlich beim letzten mal meine tour beenden aber weil´s dem bootsverleiher besser gefiel, tat ich das bekanntermassen schon am zeltplatz.
dafür hat er mir gestern das erste bier spendiert. nun stelle ich aber fest, dass eigentlich nicht ich ihm sondern er mir einen gefallen getan hat, als er mir die kilometer durch schwaan ersparte…Uwe, ich schulde Dir ´n Bier!

aber nee, is´schon wirklich fein der fluss, auch in schwaan! aber als nach der brücke und kurz friedlichen ufern wieder häuser auftauchen find´ich das schon doof! zieht sich ewig dieser ort! und jetzt kommt auch noch der wind direkt von vorn und bläst kräftig und ohne pause. ich will meinen fluss zurück! und mache doppelpaddelkraftsport bis ich keine behausung mehr erkennen kann. und lande in einem kleinen stichkanal windgeschützt direkt neben einem fetten müllhaufen an. scheiss artgenossen!

und wieder spricht der fluss: ‘jung’, bleib ruhig, alles ist gut!’ diesmal in form eines bibers, der unverhofft die ufer wechselt und mich zurückholt zum zweck meines hierseins.
und der wind hört auf und die sonne scheint!

ab schwaan kann man die restflusskilometer bis rostock dank dreier eisen- und einer autobahnbrücke gut in abschnitte einteilen, was eigentlich quatsch ist aber wenn man eine einzuhaltende richtzeit für seine ankunft hat auch praktisch.
um keinen stress zu haben sollte ich heute noch bis brücke zwei (autobahn) kommen. das erscheint leicht bei diesem wetter; der wind könnte vielleicht schwierig werden für den alleinpaddler ohne gegengewicht (aber wer braucht denn sowas? kann man getrost wegschmeissen!) aber noch sieht alles prima aus und weil auch das wasser aus der thermoskanne alle ist mache ich eine rast an brücke eins (eisenbahn rostock-bützow).

ich schätze es ca.15uhr, als ich die ersten bewussten worte des tages spreche: “petri heil” und meine mühe wird prompt belohnt: “petri dank”.
ich habe den kocher aufgestellt, wasser aufgesetzt, fotoapparat genommen und lehne am brückengeländer am jenseitigen ufer als ich den angler grüsse.
auf dem rückweg zum boot kommt mir gar eine zweite person entgegen! ganz schön was los hier! und die hat einen fotoapparat in der hand, und einen zweiten am schultergurt. und ermutigt vom erfolg des ersten grusses spreche ich auch diese an: “na, schöne motive gefunden?” doch die antwort enttäuscht: “was soll schon sein?”
ja, was soll schon sein…ich habe den verdacht, hier einen echten trainspotter getroffen zu haben..und das die ein wenig eigenartig sind kann man sich ja denken, oder? rumrennen und züge fotografieren! da könnte man ja genausogut im winter draussen schlafen ohne zelt!
oder kanu fahren ohne schwimmweste.

ich bleibe bis das wasser gekocht und in der thermoskanne ist. genau eine tasse wasser bleibt übrig und da kipp ich einen wohldosierten schuss rum rein!

von den vielen gesprächen ganz aufgedreht, beginne ich wieder zu singen (als ich mich ausser hörweite der brückenleute wähne):
…Auf den Ästen in den Grääääben,
Ist es nun still und ohne Le-he-heben.
Und das Atmen fällt mir ach so schwer,
Weh mir, oh wehhhh,
Und die Vögel singen nicht mehr…**

jaja, is´ja gut: die vögel hören tatsächlich auf zu singen, als ich damit anfange… der herr lindemann kann das wohl wirklich besser als ich. aber mit der gleichen euphorie? inbrunst? aus dem bauch? unter der mecklenburgsonne auf diesem fluss? ohne vorsatz? na zumindest kommt auch er von hier und weiss vielleicht bescheid.

…Ohne dich zähl ich die Stunden,
Ohne dich.
Mit dir stehen die Sekunden,
lohnen nicht,
Ohne dich…**

und überhaupt, die vögel: es war ja zu erwarten, jetzt weniger zu sehen, als im august aber mit den reihern ist das schon komisch: damals standen sie den ganzen fluss lang alle 100meter, heute sehe ich den ganzen tag nur fünf oder sechs…muss das so?
einen part der reiher übernehmen heute die enten, also das auffliegen, wenn ich ihre fluchtdistanz unterschreite. die ist viel geringer als bei den langbeinen und ausserdem machen sie immer einen höllenkrach, wenn sie losfliegen: sie meckern mich an! aber ich sag dann immer: ‘hallo, ich bin´s! kannst ruhig sitzen bleiben!’ aber dann sind sie ja schon weg und hören mich nicht mehr…naak naak naak naak naak

solche gedanken treiben mit mir den fluss entlang und der wind trifft mich diesmal völlig unerwartet…und aus wirklich heiterem himmel. schräg süd-ost. und so stark, dass ich keine chance gegen ihn hab: ich werde gnadenlos ans ufer gedrückt! allerdings sucht er sich dafür eine sehr geeignete stelle aus: ein baum genau in blasrichtung schräg aus dem warnowrand wachsend empfängt mich wohlwollend, das boot passt genau dahinein wo zeit, fluss und wetter aus ufer und wurzelwerk eine kleine bucht gebastelt haben, wie dafür gemacht….nur leider viel zu weit weg vom tagesziel.
und er hört nicht auf zu blasen! ich hätte noch gut zwei stunden tageslicht…aber hier ist jetzt erstmal schluss!
ich sitze noch eine weile im boot und hoffe auf das ende der blaserei…aber das kommt nicht. und so steige ich über die wurzeln an land und seh´ mich um: eigentlich gar kein schlechter lagerplatz: trocken, windgeschützt und reichlich holz greifbar…nagut, dann soll´s halt so sein: ich ziehe das boot an land und baue mein lager. schön auch, dass ich nicht mal astgabeln suchen muss, um das boot fürs lagerdach abzustützen: zwei bäume stehen in exakt richtigem abstand nebeneinander und ich kann das boot da gegenlehnen! perfekt! das lager baut sich schnell und mit einem ordentlichen schuss spiritus brennt auch bald ein kleines feuer.

mir kommen zweifel an der erreichbarkeit meines ziels morgen mittag. wo bin ich denn überhaupt? und zum ersten mal seit reiseantritt kucke ich auf meine googleausdrucke. am jenseitigen ufer erkenne ich anhaltende züge und schliesse daraus, dass da wohl ein bahnhof ist und da kommt eigentlich nur einer in frage und ich rufe den verleiher an: “scheiss wind hier grade, könnte sein, dass ich das gar nicht bis rostock schaffe…”
“wat, du schaffst das nicht?!” klingt irgendwie überrascht
“naja, is´ wirklich sturm hier…ich bin jetzt höhe hucksdorf und werd hier pennen. ma kucken wie´s denn morgen früh aussieht…ab wann kann ich dir denn auf´n sack gehen?”
“na, so ab neun…wenn du bis papendorf kommst wär´ das ok!”
wo ist denn das nu´ wieder? aja, hinter der autobahn…er hätte aber ruhig hucksdorf sagen können! ich mein´ ja nur, falls der wind auch morgen noch da ist…aber ich nehme die herausforderung an! mein ziel ist immernoch rostock.
und nebenbei stelle ich noch fest, dass der telefonakku fast alle ist. normalerweise hält das ding 5tage aber jetzt zeigt sich nur einer von fünf strichen…der normalbürger würde jetzt ausschalten und nur bei bedarf wieder anmachen. aber dafür müsste man die pin-nummer wissen! ich weiss meine natürlich nicht! schiet niemodsche kraam…

und der wind bläst! ich stehe am ufer und beobachte, wie das gegenüber in die nacht wächst…abendsonne bricht in strahlen durch wolken und macht feines licht auf vegetation, strommasten, fluss und güterzüge und ich viele fotos davon.
und dann strahlt la luna durch wolkenlücken. die mond (sowas schönes kann nicht männlich sein, und ist es, glaub´ ich, auch in keiner sprache der welt ausser in deutsch, der herrensprache) ist fast voll und malt feine halbgare gestalten in des tages ende und freude in mein antlitz. vom wind getriebene wolken lassen sie nur selten all ihre kraft auf mich scheinen und spielen beeindruckendes schattentheater in den wald um mich herum. welch wunderbares licht!

und dann, als die nacht wirklich die macht übernommen hat, versagt mein feuer mir seinen dienst: das gesammelte unbekannte holz glimmt nur noch und brennt nicht mehr! des feuers glut ist kräftig, aber keine nahrung mehr vorhanden…aber ich bin heute auch kein guter hirte, irgendwie gefällts mir hier nicht so richtig…

oder nein, es ist der wind, der nicht mehr bläst! der dem faden feuer seinen sauerstoff nicht mehr bringt..er hat aufgehört! zu blasen.
damit hab´ ich jetz nicht mehr gerechnet, jetzt könnte ich weiterfahren…soll ich?
ich bin nicht sicher…als vor mir im wasser platschende hektik sich breit macht: der otter ist da! und er ist ziemlich sauer, dass ich auch da bin. vom mondlicht beschienen faucht er mich an: ‘verpiss dich! du hast hier nix zu suchen! ich will hier an land gehen! hau ab!’
recht hat er!
und ich sag zu ihm: “tschuldigung, konnt´ ich doch nich´ wissen, dass du hier wohnst! tut mir leid, ich geh!”
klar! lager abbauen, feuer löschen, boot bepacken, losfahren!
und schwupps! bin ich auf der zweiten nachtkanufahrt meines lebens.

der unterschied zu gestern ist der, dass ich den fluss hier nicht kenne, ich war hier ja noch nie. und so spielt mir das nicht vorhandene licht abundzu einen kleinen streich: manchmal sind die uferschatten so verwirrend, dass ich den flusslauf falsch einschätze und kurven vermute, wo keine sind oder ‘geradeaus’ denke, wenn´s um die ecke geht…aber alles kein problem, beim dichterkommen regelt sich das von alleine und der fluss ist ein gewogener freund in dieser nacht. nur weil ich ein zeitliches ziel habe benutze ich die paddel, ansonsten trüge er mich auch ohne zuverlässig richtung meer.
so gleite ich denn dahin auf diesem tiefschwarzen wellenlosen wasser. die nacht ist wohl ein wenig über 0grad warm und spannt sich wie ein tunnel über das warnowtal: es gibt nur den fluss, seine uferschatten, das boot und mich – alles andere ist aus dem jetzt verschwunden.
manchmal platscht es gewaltig neben mir, irgendwas grosses tierisches krawallt in die nachtruhe wie ein paukenschlag auf einen leeren kessel…hat es flossen oder beine? ich weiss es nicht. schon in der letzten nacht ist das passiert und ich dachte, dass ich durch meine singerei irgendwen erschreckt habe, aber offensichtlich bin ich nicht so wichtig, wie gedacht: es platscht auch so! das freut mich.

mit einem lächeln denke ich noch mal an den otter zurück: es ist schön, dass ich ihn getroffen habe! mehr noch als der biber ist für mich dieses wieseltier ein symbol der warnow. und er kann so herrlich fauchen! immer, wenn man ihn bei irgendwas otterwichtigem stört macht er das. er ist keiner, der einfach verschwindet, wenn man ihm zu nahe kommt, nein, er sagt einem deutlich, was er davon hält! recht so! wenn das doch alle so machen würden! der normalbürger ist erstaunt und vielleicht erfreut, wenn er irgendein wildes tier zu sehen bekommt – kriegt aber panik und schiss wenn dieses tier dann auf ihn zu sich bewegt! schade, dass biber, reiher, reh und schwein das nicht wissen!

manchmal schafft es la luna auch hier durch kleine wolkenlöcher sich zu zeigen und der nacht ihren zauber aufzumalen. sie steht sehr hoch am firmament und strahlt nicht mit vollster kraft aber trotzdem sehr bestimmt und dominant wilde phantasien aus dem dunkel des warnowtals: so wird denn der stumpf eines gestorbenen holzes, der sich zum wasser verneigt, zu einem saufenden schwein oder ein ast eines in den fluss gestürzten baumes, der die wasserfläche von unten durchstösst und an dem sich anschwimmende schilfreste gesammelt haben, zu einer schwimmenden frau mit wallem haar, einem busch am ufer schenkt sie leuchtende augen, einem anderen gebrochene arme oder gestutze flügel…
dann mag ich nicht paddeln und überlasse die bewegung dem fluss und geniesse einfach nur dieses lichtspiel.
und verdammt! die frau hat gar nichts an!
und winkt mir zu!

zivilisationsgebrumme und -geleuchte aus der ferne, (da, wo eigentlich das licht am ende des tunnels sein sollte) wird langsam stärker, kommt näher…: die autobahnbrücke, mein grobes tagesziel, und es wird zeit, sich gedanken um das nachtlager zu machen. der fortgeschrittenen zeit wegen (ich denke, dass heute schon sonntag ist) wird es kein lagerleben mehr geben, ich will nur noch schlafen und deshalb muss der lagerplatz kein prächtiger sein. und solange die autobahn zu hören ist, kann er das auch gar nicht. und noch soweit fahren, bis sie´s nicht mehr ist, will ich nicht.
die ufer geben bei diesem licht nicht viel von sich preis und meine stirnlampe bräuchte neue battereien…so finde ich denn nix passendes und mir fällt ein, dass ich ja eigentlich schon immer mal unter einer brücke schlafen wollte…na denn, warum nicht unter dieser?
wie erwartet ist das anlanden dort sehr einfach und das boot schnell an land. erstaunlich ist, dass der autokrach direkt unter der brücke wesentlich weniger ist, als daneben. und es ist auch kaum verkehr hier am sonntag morgen kurz nach mitternacht und so wird das lager freundlicher, als gedacht.

und ich schlafe recht gut bis um5.

die augen geöffnet empfängt mich absolute stille! wohl zwanzig minuten lang fährt kein einziges auto über die brücke. und das is´´ne autobahn! und da stellt sich dann natürlich sofort die frage: war es wirklich nötig, diese monstranz ins mecklenburger land zu stellen? okay, sonntag morgen im märz um5 ist keine repräsentative zeit, aber trotzdem bleibt die frage.
und ich habe auch sofort eine antwort: natürlich! wo hätte ich denn sonst schlafen sollen!

leider wird auch dieser morgen wieder einer ohne rote sonne. dafür aber mecklenburgfrische 3(?)grad warm.
leichte wellen kräuseln das gewässer: schwacher wind weht. in der thermoskanne ist noch eine tasse wasser…was solls: ich tu´ rum rein! und putze mir damit das gebiss…guten morgen welt!
jetzt noch zwei milchbrötchen mit klumpenkäsescheiben und die fahrt kann weitergehen.
weil ich befürchte, dass der wind im tagesverlauf wieder stärker wird, fahre ich das boot ab jetzt rückwärts: da sitze ich dann mehr mittig und verlagere den schwerpunkt des gefährts ein wenig windgünstiger. vom august weiss ich, dass das bei diesem boot erhebliche einschränkungen beim sitzkomfort zur folge haben wird und bin überrascht, davon nichts zu merken…und erst jetzt stelle ich fest, das die querleiste hinter dem beifahrersitz, die dafür verantwortlich zeichnete, nicht mehr da ist! irgendwer hat die abgeschraubt! prima sache das, die selbe idee hatte ich dunnemals auch, hab´ mich aber nicht getraut, is´ja nich´ mein schiff.
warum hab´ ich das nicht früher bemerkt?
darum!

der fluss ist jetzt ein richtig breiter, der morgen ein richtig trüber. fette graue wolken voraus verheissen nichts gutes…und kaum gedacht, habe ich regentropfen im gesicht!
und freue mich! wiedermal bin ich goldmarie: das kostbarste, was es auf dieser welt gibt, fällt aus dem himmel auf mich herunter. einfach so…oder vielleicht doch, weil ich so viele gute taten vollbracht habe? der regen muss auf jeden fall für mich sein – hier is´ ja sonst keiner…
aber es ist nur ein ganz kurzes wetterintermezzo, das die luft reinigt, sowas wie eine morgendusche, nach der man sich fitter fühlt.
ich drehe mich um und fotografiere die brücke: fände ich doof, wenn dieser bericht kein foto von der hätte.
kein auto ist auf ihr zu sehen! und das ding ist mehr als 900meter lang.
und ich fühle mich fitter! voller tatendrang lege ich das paddel ins boot und lasse mich treiben.

es ist einfach nur geil hier!
die luft ist sehr feucht und frisch und ich spüre sie angenehm auf der haut. der fluss bringt mich stetig gemütlich vorwärts. die stille ist grandios. und die biber sind hier entweder sehr fleissig oder sehr zahlreich:
wenn die gefallenen oder verletzten keine bäume wären sondern soldaten würde die geschichte von einem gemetzel schreiben, so aber ist das nur kultiviertes warnowufer: überall enthauptete, gehäutete, umgelegte, verstümmelte, gebrochene, zerkaute… massakeramba! …und zu burgen aufgetürmte. mindestens fünfen davon begegne ich auf diesem trip. aber ihre erbauer machen sich rar, von denen treffe ich nur zwei, einen gerade jetzt und hier:
ein angler in einem ruderboot hat sich vor der schilfkante verankert und der biber schwimmt um sein boot herum, mehrmals. es macht den eindruck, dass die beiden sich kennen, oder das irgendeine interaktion zwischen ihnen stattfindet. das interessiert mich natürlich sehr, aber als gelernter angler weiss ich, was jemanden dazu treibt, an einem sonntag morgen um8 in einem ruderboot vor einem zufuss kaum zugänglichen flussufer fische fangen zu wollen vorzugeikeln: alleinsein!
ich verstehe und respektiere das und habe schon, als ich den kollegen von weitem entdeckt habe, das flussufer gewechselt um ihm seine ruhe zu lassen, doch der biber zu des anglers füssen macht schon neugierig…
aber das ist seiner!
der mit dem biber fischt, oder so.

und da fällt mir wieder ein, was der kanuverleiher erzählt hat, vom angler und seinem freund:
“diese scheiss biber! die müssen wieder weg! die fressen uns alle aale weg, und die forellen!” (angler)
“und die muscheln!” (freund).

am backbordufer tauchen häuser auf, und eine anlegestelle. “rastplatz papendorf” steht zu lesen.
aha, hier könnte ich also abgeholt werden. soll ich da jetzt anlegen und anrufen?
ich betrachte himmel und wasser und während ich abwäge, trägt der fluss mich am anleger vorbei…

normalerweise weichen schwäne dem bootfahrer aus, schwimmen ihm aus dem weg, die beiden hier in papendorf scheinen die regeln nicht zu kennen und schwimmen auf mich zu. ich wechsle das ufer und sie kommen hinterher, sie schwimmen an meiner seite bis zur grenze ihres reviers, wohl einen kilometer weit. sehr dicht neben meinem boot. und sie schnappen nach mir! ich weiss nicht, was ich davon halten soll und erzähle ihnen, dass ich ein ganz lieber bin und sie mich einfach vorbeiziehen lassen können…aber ich habe das gefühl, dass sie mir nicht trauen, oder verstehen sie mich nicht?

brücke drei kommt in sicht (eisenbahn rostock-waren), eine spannende konstruktion: zweietagig: oben zug unten wanderer. und spätestens jetzt bin ich mir ganz sicher, dass es richtig war, nicht in papendorf auszusteigen. nicht der brücke, sondern des wassers und seiner ufer wegen! hier is´ ja mal so richtig fein! wir fahren durch wald und ich könnte mir vorstellen, dass hier links und rechts bald alles grüne wand sein wird, heute aber habe ich weiten blick ins hinterland: urwald! ungeregelt gewachsen und gefallen, schon seit vielen jahren! so sieht´s zumindest aus.
angestachelt vom gestrigen erfolg versuche ich wieder filme zu machen. aber die ergebnisse wirken bei weitem nicht so grandios wie das original, doch so soll das ja auch sein: nur wer wirklich da ist kriegt die volle dröhnung! wenn das jetzt allerdings bedeutet, dass alle millionen leser dieses artikels dahinfahren wollen, so muss ich davon dringend abraten: das is da nämlich nur wirklich schön, wenn keine dröhnung vergeben werden muss!

vor der brücke backbord:

hinter der brücke steuerbord01 (auch akustisch sehr reizvoll!)

hinter der brücke steuerbord02

gerade als die drei kormorane 100meter voraus ihre zum trocknen aufgestellten flügel zur flucht vor mir in die dafür nötige stellung bringen und den fluchtplan ausführen blitzt endlich der blaue pfeil im augenwinkel auf: tatsächlich bemerke ich jetzt erst den ersten eisvogel dieser reise, obwohl die hier ja bekanntlich nicht selten sind. und es soll auch der einzige bleiben. allerdings lässt der mich ganz schön dicht an sich rankommen: erst, als ich den kameraauslöser drücken will, fliegt er weg! viermal macht er das, der lump! aber immer schön neben mir her, von einem ins wasser gestürzten baum zum nächsten. zwischendurch landet er auch mal auf der behausung eines baumfällers…

dann bricht unbekanntes geräusch, schnell näher kommend die ruhe. eine flussbiegung verweigert mir zunächst die sicht auf die quelle die jetzt auch noch spricht…doch dann kommt sie um die ecke: 4mann in einem boot, ganz lang und dünn und schnell, zwei “paddel” links, zwei rechts, alle in perfektem gleichtakt. schwupps! sind sie vorbei, jedoch nicht ohne ein “hallo” vom letzten athlethen in meine richtung…erfreut grüsse ich zurück.
gut, dass ich gleich beim ersten akustischen wahrnehmen mich ans ufer gepaddelt habe…die flinken ruderer sehen ja nicht, was vor ihnen ist, sie kucken dahin, wo sie hergekommen sind. und müssen schnell weiter. ob sie überhaupt wissen, wie schön ihre übungsstrecke ist?
ich glaube schon, sie sind ja jeden tag hier und manchmal wohl auch langsam.
hier werden olympiasieger gemacht! hier geht das.
wohl 10minuten später kommt schon wieder krach auf mich zu, diesmal das motorboot des trainers der olympioniken. recherchen im vorfeld haben ergeben, dass dieses das einzige motorboot ist, dass die warnow oberhalb rostocks befahren darf und ich glaube, so kann man das machen, mit diesem einen boot kommen fluss und bewohner klar, der otter wird zwar meckern, aber das macht er ja immer.
die recherchen haben auch ergeben, dass das bei der letzten tour gesehene ausflugsschiff (das mit den wappen am rumpf) ein elektrisch betriebenes ist, und “warnowlöper” heisst, aber dessen existenzberechtigung zweifle ich trotzdem an!
wehret den anfängen!

und so nähere ich mich brücke vier (eisenbahn rostock-tessin), durchfahre sie und bin in kessin, einem rostocker vorort. ab hier wird der fluss ein anderer, einer, dem man glaubt, dass er mal den grundstock für den grössten hafen der heutigen deutschen ostkolonien gebildet hat: er wird breit und seine ufer biberlos(?). und passend dazu kommt der längst überfällige wind von vorne auf! kräftig bläst er mich an und ich greife wieder zum doppelpaddel und werde zum kämpfer! kraftsport bis brücke fünf, der letzten. gerne hätte ich die ersten sichtbaren markenzeichen der geburtsstadt meiner frau, den wasserturm und die neubauten der steintor-vorstadt, fotografiert. aber wind und wellen lassen das nicht zu: ich muss arbeiten.
tut aber gut! und macht auch spass: muckibude für umme! (kostenloses fitnessstudio).
und so fahre ich denn zum ersten mal in meinem leben mit einem boot in eine grossstadt.

am abgesperrten zuleitungsgraben zum alten kraftwerk ergibt sich dann die erste möglichkeit, in den windschatten von uferbäumen und damit in ruhiges wasser zu fahren und ich hol´ das telefon raus und stelle erfreut fest, dass der eine strich immer noch da ist und rufe den kanumann an: “moin, ich bin rostock und akku gleich alle!”
“ah, also doch rostock! wo denn?”
“vor der letzten brücke”
“na dann is´ja nich mehr weit. ich ruf´ meinen kumpel vom rostocker kanu camp an und sach´ ihm, dass du kommst. und fahr´ dann gleich los.”

nein, es ist nicht mehr weit und ich werde am anleger vom kanu camp tatsächlich schon erwartet!

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*david bowie: space oddity
**rammstein: ohne dich

 

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