bahnal : am strang lang :wittenberge – bad wilsnack: LB!
(begangen am 9.und 10.6.2021, )
lange musste ich auf eine gelegenheit für diesen abschnitt der strangwanderung warten: ich brauchte eine frühe frühschicht und einen anschliessenden freien tag, denn auf jeden fall sollte hier eine übernachtung stattfinden: in den wittenberger elbwiesen. dank bahnaler widrigkeiten ergab sich ein feierabend um 12uhr in schwerin. perfekt! im selben zug zurück bin ich um 12uhr58 in wittenberge. zugbegleiterin ilona überlässt mir auf der fahrt ihren rückzugsort zum umziehen und ich kann die arbeits- gegen waldklamotte und sandale tauschen im hinteren führerstand des arbeitsgeräts.
eine übernachtung erfordert auch ein wenig proviant.auf meinem geplanten weg gibt es keine beschaffungsstelle für selbigen haben recherchen im vorfeld ergeben, also wird im bahnhof vorgelagerten DB-Store eine für diesen laden offenbar ungewöhnlich grosse menge an ess-und trinkbarem von mir erworben und vom verkaufenden personal wohlwollend ausgehändigt: “na da hat ja einer hunger!”
“muss für zwei tage reichen”: 2 salamibrötchen, ein baguette mit klops und ketchup, eine käsestange und 6 kalte hasseröder für knapp 18euronen. man gönnt sich ja sonst nix… aber zum einkaufen noch quer durch die stadt zu laufen kommt nicht in frage!: ich will an die elbe! ganz schnell!
wittenberge war in vorwendezeit für die eisenbahn ein sehr bedeutender ort. auch ich habe hier ja bekannterweise den grossteil meiner ausbildung verbracht und in einer der “schönsten” mitroparestaurationen des alten landes viele biere getrunken. und soljanka gegessen. das diese einrichtung beherbergende beeindruckende bahnhofsgebäude steht heute leer und wirkt ein wenig traurig in seinem gelb. ich fotografiere das und auch ein wenig restgleis davor, aber der rest meines weges durch die stadt bleibt unfotografiert bis zu den brücken über die elbe und das vorgelagerte aus stepenitz und karthane gespeiste hafenbecken.
die brücke über die elbe ist für mich eine grossartige kindheitserinnerung: mit oma und opa fuhr ich als kleiner oft mit der eisenbahn über sie und war jedesmal total aufgeregt; vor allem bei hochwasser war das ein unglaubliches erlebnis für einen bengel wie mich. dunnemals durften züge nur mit 10km/h da rüberfahren und es knackte und knirschte und quietschte gewaltig dabei. man konnte zu der zeit noch die fenster der wagen öffnen und die grosseltern hatten bestimmt ein wenig angst, dass ich da rausfalle…
die brücke wurde erneuert und eigentlich muss kein zug mehr seine geschwindigkeit verringern, wenn er da rüberfährt. doch jetzt, als ich da bin, wird wieder renoviert und langsam und eingleisig gefahren.
man konnte immer schon als fussgänger die 1030meter neben den gleisen die elbe und ihre überschwemmungswiesen auf dem stahlkonstrukt überwandern, auch jetzt, allerdings auf der anderen seite auf improvisiertem baugerüst. und so mache ich endlich, was ich schon sehr lange machen wollte: ich gehe zufuss über die elbe auf dem längsten brückenneubau der Deutschen Reichsbahn im geteilten land.
es gilt, einen feinen platz für die geplante übernachtung am flussufer zu finden. im vorfeld erschien es mir sehr reizvoll irgendwo im überschwemmungsgebiet, vielleicht an einem der vielen kleinen restwasser zu campieren. doch ist das ganze angedachte wiesenland vom rindvieh okkupiert: alles weideland mit elektrozäunen und ich kann nicht sicher erkennen, auf welcher seite der elektrodrähte das vieh sich sattfrisst. von der brücke aus sehe ich zwei herden, die sich da rumtreiben, aber nicht, wo der zaun sie davon abhält. und ich möchte nicht auf weideland schlafen und morgens in einer rinderherde erwachen. hatte ich schon, war nicht so toll…
und die bauarbeiten auf der brücke sind für mein empfinden auch nicht schön: die eigentlichen bauabschnitte sind grossflächig mit planen überspannt sodass ich nicht sehen kann, was genau der brückenrenovator grade treibt, doch riechen und atmen kann ich es: er lackiert. und auch hören, denn er lackiert nicht mit einem pinsel. schade eigentlich. vielleicht wird ja die ganze nacht durchgearbeitet, weiss ich nicht, aber auf keinen fall will ich mehr als nötig davon mitkriegen. und so gebe ich den überschwemmungswiesenplan auf und gehe wieder zurück zum anderen ufer nach wittenberge. aber was ich zuvor am brückenende sah und hörte war schon schön: fein beschilfte restwasser mit viel froschgequake, reiher und libellen in recht grosser zahl, sandige oasen mit spannender buschvegetation, von anglern(?) getretene pfade mit nicht erkennbarem ziel, wildes gezwitscher vieler kleiner vögel, kackehaufen wieselartiger…und ich hätte wohl noch mehr gefunden, wenn krach und gestank nicht so nervig gewesen wären und bin mir sicher, hier nochmal herkommen zu wollen…irgendwann…
nun denn: am wittenbergeufer führt eine strasse über den deich. die heisst sogar elbdeich und da geh ich dann erstmal lang. macht aber nicht wirklich spass, obwohl viel spannendes wasser auf beiden seiten am deichfuss neugierig macht: vielzuviel verkehr! aber die strasse zweigt irgendwann weg vom fluss und geradeaus bleibt der deichweg, für die meisten fahrzeuge gesperrt. zwar immernoch asphaltiert aber auf jeden fall viel angenehmer zu begehen. und bald zweigt dann auch ein weg vom deich herunter ab zum grossen fluss. natürlich nehm ich den!: ich will endlich ans elbufer. ein stückchen elbwiese ist gemäht und ein schild aufgestellt: “Anglerparkplatz”. weiterfahrt zum Fluss verboten! jedoch ist der weg nur durch aushängbare elektrozaunatrappe gesichert und ich bin sicher, dass das durchfahrverbot hier, so dicht an der stadt, heftig ignoriert wird. aber erstmal gehe ich da lang und bin dann endlich am ufer und freue mich sehr darüber und fühle mich gut. ein fahrradfahrerpäärchen liegt da rum und wir begrüssen uns freundlich, sehen uns nur kurz, und endlich bin ich in einer buhne mit meinen füssen im elbwasser. hurra!
und schön ist es hier! es gibt sogar richtigen sandstrand. und uferbäume. eigentlich ein perfekter lagerplatz…wenn die stadt nicht so dicht dran und es nicht der erste leicht erreichbare neben ihr wäre.
nur kurz überlege ich, hier die nacht zu verbringen als ich beim blick zurück zum elbdeich vier schick geputzte vorzeigautos mit ringen und stern zum anglerparkplatz abbiegen und das durchfahrverbot nicht beachten sehe. naja, wie vermutet.
und so setze ich meien rucksack wieder auf und mach mich erneut auf die suche nach meinem schlafplatz, vorbei an den schönen autos, deren fahrer mir viel zu jung erscheinen für solch spiessige gefährte und habe kurz wiedermal ein klein wenig angst vor uns.
am elbseitigen deichfuss führt ein zweispuriger fahrweg mich weiter flussaufwärts. sehr stark befahren scheint er nicht, aber auch nicht ungenutzt.
ich hoffe auf schöne fotos zum sonnenuntergang am fluss und auf nebel am nächsten morgen. schon bei der idee dieses ausfluges war mir klar, dass eine stadt wie wittenberge infrastruktur über den fluss an ihrer seite zur versorgung braucht. die eisenbahnbrücke zum beispiel. die auf meinen fotos drauf zu haben erscheint mir nicht so schlimm. was ich aber überhaupt nicht mag sind stromleitungen mit ihren masten. und wie vermutet gibt es hier eine solche fette hochspannung verbreitende unschöne. solche leitungen versauen jedes foto. was kann man dagegen tun?
genau unter ihr lagern.
dann kann man in beide flussrichtungen ungestört von ihr schöne bilder machen. und ich bin total begeistert, als ich jetzt eine buhne finde, die genau so unter strom und dazu noch einsam liegt und bin mir sicher, meinen lagerplatz für die nacht gefunden zu haben. endlich kann ich meinen doch recht schweren rucksack fallen lassen und wähne mich angekommen am platz für die nacht. es ist noch nicht ganz 16uhr und die sonne brennt an diesem tag ziemlich heftig. is aber egal. es gibt hier schön schattige uferbäume unter denen ich erstmal bleibe. auf den buhnenkopf kann ich dann immernoch, wenn dämmerung und motive sich zeigen, denk ich mir und bin recht zufrieden mit mir und dem jetzt.
fast lautlos kommt eine ringelimousine immer dichter und hält dann kurz hinter mir an.
dass solche autos solche wege fahren…da wird doch der lack zerkratzt!
mann und frau steigen aus und holen angelsachen aus dem linousinenkofferraum und tragen sie auf “meinen” buhnenkopf. sie sehen mich, finden wohl nicht gut, dass ich da bin, ignorieren mich aber ansonsten und bauen ihr utensil auf. gekommen, um zu bleiben!
wat´n scheiss!: die bauen sich direkt dahin, wo in zwei stunden mein stativ stehen soll!
buhne an buhne an buhne…und die nehmen genau meine! also ich könnt so nich sein…
ich kuck mir das ´ne weile an, weiss aber, dass mein stromleitungsbuhnenplan gescheitert ist, erkläre die beiden zu siegern und räume das feld. schöner scheiss!
ich hoffe, dass all ihre köder von den wollhandkrabben gefressen wurden und sie keinen fisch gefangen haben!
könnt mir aber vorstellen, dass sie schönen sex gehabt haben da an der elbe im sonnenuntergang und sich gefreut haben, dass kein fisch gestört hat.
und kein möchtegernfotograf.
so lauf ich denn also weiter entlang am elbufer, übersteige elektrische weidezäune, ignoriere mögliches weidevieh und merke irgendwann dass der weg immer schwieriger wird, also immer weniger vorhanden ist, werde langsamer, bleibe stehen, sehe mich um….und merke plötzlich, dass ich jetzt endlich da bin, wo ich gehofft habe, hinzukommen: am wilden elbufer, wo lange schon keiner war!
runtergekommen, fast:
am gegenüberufer, von hier aus nicht zu sehen, machen irgendwelche maschinen blöden krach. als ob was im grossen stil geschreddert wird, oder zermalmt, oder recycled… scheisse laut und störend…
ein wunderschöner lagerplatz unter grossen, oft überschwemmten uferbäumen mit beeindruckenden flusswurzeln stinkt gewaltig: ein totes winziges kalb verwest unter dem ufergehölz. ein opfer des flusses wohl…
drum noch da vorbei.
ein blick nach vorn in die dämmerung zeigt baumloses ufer. also schlage ich mein lager auf unter den letzten gehölzen davor.
eine wirklich gute wahl.
wenn man davon absieht, dass alle fotos vom sonnenuntergang durch eine stromleitung versaut sind.
von den sechs kalten bieren, die am bahnhof ich kaufte, habe ich jetzt noch zwei ziemlich warme.
unter einer gruppe von drei stehenden bäumen liegt ein vor langer zeit gefallener quer. auf dem kann wunderbar ich sitzen, die beine übereinanderschlagen und mich freuen, hier zu sein.
das warme bier schmeckt nicht wirklich gut und trinkt sich ziemlich langsam aber passt wunderbar zu ort und zeit: zweieinhalb stunden vor mitternacht an einer schlammigen buhne ohne ufersand , matschig und herb nach fluss riechend.
obwohl ich weiss, dass sie mir nicht gefallen werden, mach ich viele viele fotos vom untergang der sonne über der elbe hinter der stromleitung und bemerke in meiner euphorie nur zufällig die fischige aktivität in der buhne vor meinem schlafplatz: grosse flossen tauchen an mehreren stellen des wellenlosen buhnenwassers immer wieder auf und wollen von mir beobachtet und bestimmt werden.
aber immer, wenn ich mich ihnen noch so vorsichtig nähere sind sie nicht mehr da. wenn ich mich aber setze auf meinen baum, knapp 30meter entfernt vom ufer, flossen sie wieder und durchwühlen die stille. es dauert lange, bis ich begreife und erkenne: es sind laichende hechte!
und ja, stille!: 22uhr scheint feierabend zu sein beim schredder, zermalmer oder recycler. endlich nur noch fluss und ich!
und sonnenuntergang.
hurra!
halbmannshohes gras umgibt meine lagerstatt und als gerade den letzten schluck warmbier ich getrunken hab und mich schlafen legen will bricht ein wohl liebestoller rehbock auf mich zu daraus hervor und bemerkt mich erst, als er knapp 5meter vor mir ist, bremst abrupt, rennt zurück und fängt lautstark an zu schimpfen. er scheint richtig sauer zu sein, dass ich ihm im weg bin und bellt gewaltig laut und lange um mich rum. wohl ca. 5 minuten ist er völlig ausser sich und rennt hinter mir hin und her und bellt! scheissegel scheint ihm zu sein, dass ich ihm zurufe, dass ich harmlos bin, er scheint echt bockig! grandiose erfahrung!
von süden fliegen 12 schwäne in gruppe dicht über dem fluss auf mich zu und unterhalten sich dabei angeregt und lautstark. zwei landen kurz oberhalb meines lagers auf dem fluss, die anderen fliegen weiter und es scheint, dass die gelandeten sich von der gruppe verabschieden oder sich für morgen verabreden als sie nach ihrer landung den weiterfliegenden hinterherrufen und antwort kriegen.
das ist nicht der menschverstandene schwanengesang sondern wohl ganz normale kommunikation, von der wir nix verstehn, wir allwissenden.
auf jeden fall fühle ich mich privilgiert, zuhören zu dürfen.
die beiden rudern in “meine” buhne, sehen mir zu, wie ich ihnen zusehe und scheinen nichts dagegen zu haben, dass ich da bin. das gefällt mir gut, macht mich stolz?
der fotoapparat ist lange eingepackt und ich geniesse nur noch meine beobachtungen und beobachte irgendwie auch meinen genuss und bin drogenlos berauscht oder aber völlig high von droge natur. cooles zeug!
es gibt hier richtig viele mücken! fast so viele, wie damals, als ich angefangen habe, sie zu fotografieren. nervig wie früher! wunderbar! sie sind wieder da, zumindest hier am elbufer.
aber sie zwingen mich viel tiefer in meinen neuen 15euro-lidl-schlafsack als die temperatur in dieser sommernacht.
man kann schlafsäcke für viele hundert euro kaufen, für jede temperatur, für jedes gelände, für jede figur, für jedes wetter, speziell für jeden scheiss… oder eben für 15euro bei lidl. so mach ich das. und bis jetzt war das immer völlig i.o., heute auch. nur hätte ich eigentlich den sack nur als decke benutzt und arme und kopf und vielleicht auch bein rauskucken lassen, aber das stechgetier lässt mich richtig schwitzen. ich muss komplett rein in den sack und setz mir auch noch ne mütze auf die rübe und zieh die bis über die augen um nicht völlig zerstochen zu werden und schwitze darum natürlich gewaltig, was die stechtiere dann noch wilder macht…
war ne spannende kurze nacht mit wenig wirklichschlaf aber das macht nix, is ja für´n guten zweck und als um vier der wecker klingelt bin ich sofort auf den beinen und fit wie turnschuh (sagt man so, versteh ich nich…bin ich aber!)
ich mach die augen auf und bin ein klein wenig enttäuscht, weil der erhoffte nebel in den elbwiesen heute nicht da ist. das finde ich sehr schade, macht aber nix, is eben so.
die sonne ist noch nicht zu sehen, wohl aber die richtung, in der sie bald erscheint, sie wirft ihre helle voraus und ich packe meine sachen in den rucksack und mach ihn wieder schwer. fotografisch macht dieser morgen leider nicht viel her aber euphorie schafft er trotzdem. so wie eigentlich jeder nah bei mutter…
noch einmal mach ich einpaar meter am flussufer, winke dem schwanenpaar zu, dass in der buhne dümpelt und wohl auf die kollegen wartet um wieder loszuziehen, danke dem ort meiner nacht für sein wohlwollen und mach mich auf den weg.