schwein gehabt?
schön am lukas-job sind die tiere die man sieht, wenn man durch ihr revier fährt. blöd am lukas-job ist, dass manche das nicht überleben. mancheiner sagt: blöd sind die tiere, die das nicht überleben, ich sage: blöd ist mancheiner!
ja so ist das: das einzig wirklich blöde an meinem neuen job ist die ständige gefahr, tiere zu überfahren.
rehe und wildschweine sind fast immer in gruppen unterwegs und wollen unbedingt zusammenbleiben. sie überqueren die gleise nacheinander und wenn ein zug sich nähert, hören sie nicht auf damit: leittier läuft rüber, alle anderen hinterher, egal, was da kommt! und dann…
oder: leittier läuft rüber und erkennt die gefahr und will dahin zurück, wo´s herkam, wo´s sicher war und rennt zurück, alle anderen hinterher…
und manchmal stehen sie auch in gruppen mitten im gleis, weiss der fuchs, warum!
der fuchs, ja der fuchs: ihm wird immense schläue nachgesagt und so habe ich denn auch gedacht, dass fuchs zu clever ist, um sich überfahren zu lassen, aber leider ist das nicht so: oft schon sah ich seine reste im gleis…
und tarnung ist ein ganz wichtiger teil waldestieres überlebensstrategie und natur hat da wirklich gute arbeit geleistet: sie sind oftmals wirklich kaum zu sehen in ihrem habitat! und wenn man sie dann sieht, ist es meist zu spät, zu reagieren…
vielen meiner kollegen ist das alles ziemlich egal und wenn tier vor ihren zug rennt, hat es eben pech gehabt: blödes vieh! “was soll ich denn machen? ich erwisch es doch sowieso!”
ich kann diese einstellung nicht teilen, viel zu sehr mag ich meine nichtmenschlichen mitbewohner und mache mir meinen job deshalb freiwillig schwerer, als er ohnehin schon ist. denn es gibt ein probates mittel, wildunfälle zu vermeiden: das typhon, die hupe meines zuges. die ist wirklich verdammt laut und darf nur im notfall benutzt werden.
der blick des lokführers ist permanent nach vorn gerichtet um strecke und signale, oberleitung und umgebung zu beobachten, permanenter rundblick nach vorn, immer leicht kreisend vom gleis zur umgebung zur oberleitung und immer auch zu den anzeigen im zug. so soll es sein und so mach ich das auch. aber zusätzlich habe ich immer, wenn ich sie nicht für notwendige handlungen brauche, meine linke hand am schalter für die hupe. ich habe damit schon vielen tieren das leben gerettet und kollisionen vermieden. es geht da wirklich um sekundenbruchteile und die hupe schafft es tatsächlich, die tiere derart zu erschrecken, dass sie den herdentrieb vergessen und völlig verängstigt und wahrscheinlich schwer verstört zurückweichen…aber eben nicht sterben.
aber das klappt leider nicht immer:
09062019
ein fasan fliegt von der schiene, auf der er saß, auf mich zu und zerplatzt unter meiner frontscheibe
20062019
eine taube fliegt vom bahnsteigdach am bahnhof zoo gegen meine frontscheibe
28062019
beim abschlussdienst finde ich eine ente aufgespiesst im kupplungsraum
02072019
in km95,4 kurz hinter breddin springt aus dem nichts ein reh vor meinen zug, es hat keine chance! ich fahre auch jetzt noch mit schuldgefühlen an dieser stelle vorbei, mit 155kmh
17082019
vor dorf mecklenburg rennt ein wildschwein vor mir über die gleise, ich habe es auf jeden fall erwischt, hab ich gehört, ganz knapp, wahrscheinlich hab ich ihm das becken gebrochen…vielleicht aber auch nicht…
eine stunde später fuhr ich an der stelle wieder vorbei und sah keine leiche! vielleicht hat es sich noch in den wald geschleppt, vielleicht hat es aber auch überlebt…ich war 80kmh schnell
15092019
ein bussard zerfetzt im typhon auf dem dach
11102019
vor glöwen standen im nächtlichen nebel plötzlich ca. 15 wildschweine in meinem scheinwerferlicht mitten im gleis, ich fuhr mit 160kmh mitten rein in die gruppe, zog die hupe…und machte die augen zu
…und erwischte kein einziges!
schwein gehabt? oder eher nicht?
02012020
ein roter milan fliegt von einem oberleitungsmast direkt auf mich zu und…
13012020
im scheinwerferkegel will ein ziemlich grosser vogel aus dem buschwerk am rand die gleise überqueren und endet kurz unterhalb meiner frontscheibe in einem lauten knall. zu schnell, um seine art zu erkennen, aber ein raubvogel
05032020
im gleis hinter wüstmark richtung parchim liegt ein von vor mir hier vorbeigefahrenem kollegen überfahrenes reh. daneben sitzt ein verletzter bussard, flugunfähig. wahrscheinlich konnte er nicht schnell genug vom kadaver lassen und wurde auch von einem kollegen erwischt. ich versuche alle tierschutzvereine im raum schwerin anzurufen, erreiche aber niemanden! es ist donnerstag nachmittag! sehr traurig!
28042020
wirklich lange lief alles gut, aber heute rannten zwei rehe im km104,8, kurz hinter glöwen vor meinen zug. das zweite hat das nicht überlebt…ist es ein trost, dass es sehr schnell ging?
22062020
er fliegt von der oberleitung, auf der er saß auf, in die gleiche richtung wie ich, ist aber nicht so schnell wie ich und zerplatzt an meiner frontscheibe, der bussard in km 55. mit scheibenwischer und viel wischwasser verschwindet sein blut langsam aus meinem blickfeld
25062020
ein taubenmann balzt aufgeregt und aufgeplustert einer taubenfrau vom bahnsteig in spandau hinterher auf die gleise. nur ein leiser dumpfer schlag, mehr bleibt nicht von ihm bei ihr. und mir.
wird fortgesetzt…
Hi , ich habe es gelesen und das ist das Trauerspiel deines Jobs, ich weiß. Aber falls du mal helfen kannst hier eine gute Adresse:
z.B. https://www.wildtierrettung.de
https://www.notkleintiere.de/?fbclid=IwAR1r48y-TLPrfz3vYIRfQynHo93H6h4jyufpxIFqYBYtZvxm_PcfsHP_TTY
Gnadenhof & Wildtierrettung Notkleintiere e.V.
+49 162 3177177
Gärtnerweg 15, Wensickendorf
Oranienburg
Gute Fahrt!
L.G. P :-)
notfalltel : 01623177177