ich erwache früh in einen klaren morgen und erlebe einen grandiosen wintersonnenaufgang in klirrender lautloser kälte, wohl 10grad unternull.
mit einer dampfenden tasse tee stehe ich sehr aufrecht und schmerzfrei in unterhosen, socken und wollpullover vor meinem nachtlager und blicke über den see in den steigenden stern.
es ist grandios und ich fühle mich wunderbar!
eine energische stimme reisst mich aus meiner verzückung: “Was machen Sie hier?!!”
ich drehe mich um und sehe eine uniformierte frau. sie ist nicht sehr gross, unter 1,70meter. ihre uniform steht ihr sehr gut! es ist eine winteruniform und dementsprechend gefüttert und dick. trotzdem betont sie die figur der frau sehr schön. sie ist ausgesprochen wohlgeformt.
auf dem kopf trägt sie so eine russische fellmütze, die man über die ohren klappen kann. das hat sie auch gemacht und ich sehe deshalb nur ihr gesicht mit wachen braunen augen und einer ganz leicht knolligen nase. ich schätze sie auf ende dreissig, anfang 40. sie wäre eine überaus angenehme erscheinung, stünde nicht “Naturparkranger” auf ihrer brust.
noch bevor ich ihr antworten kann, stürmt sie los, auf mich zu und bleibt dabei mit einem fuss in einer dieser brombeerranken hängen, die hier so tückisch über den boden kriechen, stolpert und fällt mir genau in die arme. und ich fange sie auf. ihr kopf fällt auf meine brust und dabei verliert sie ihre uschanka (mütze). ein schwall wohlgeruch der sich wohl darunter angestaut hat flüchtet in meine nase und lässt mich sehr tief einatmen. sie hat dunkelbraunes haar, nichtganz schulterlang.
unsere umarmung scheint mir in dieser situation etwas länger, als nötig. nicht, dass mich das stört, es wundert mich. nach einem tiefen atemzug an meiner brust spüre ich ein leichtes zittern durch ihren körper sich auf meinen übertragen als sie leise sagt: “komm mit in mein auto, da machen wir dann die anzeige!” und sie hebt ihren kopf und blickt mich an, diese frau.
es ist meine frau.
ein traum
von einer frau.
noch nichma´´ne woche wech vonse.
ich erwache spät in einen trüben tag. es ist deutlich wärmer als gestern abend, alles klamm und tropfend.
ischias schlägt wieder gnadenlos zu. und kein wasser da für den morgentee oder gegen den brand.
irgendwann schaff ich´s in meine schuhe und such mir einen knüppel, um das eis zu zertrümmern. das geht leichter, als erwartet, das wasser aus dem see zu holen allerdings ist umso schwieriger, wenn man sich kaum bücken kann…doch trotzdem dampft schon bald der wasserkessel.
vom feuer der letzten nacht ist nichts mehr zu sehen, das haben wir wirklich sauber verschwinden lassen. erstaunlich…
das planenzelt schnarcht noch.
ich fotografiere eine runde am seeufer, leider ist es trübe und wenig hell und ich ohne stativ. aber sehr angenehm ist die ruhe um das gewässer trotzdem. viele kleine vögel hüpfen durch schilf und uferwald. ich erkenne nur die blaumeisen und kleiber und ärgere mich wiedermal ob meines wenigwissens. und beneide die hüpfer um ihre leichtigkeit und freue mich, sie beobachten zu können. sie sagen nicht viel, aber was sie sagen klingt nach wahrheit.
“morjen” fragt das planenzelt “wie spät is´n das?” ich habe keine ahnung und befrage mein telefon, dass immernoch akku hat, allerdings keinen empfang, sehr schön!
“halb zwei!” meine antwort erschreckt auch mich.
“halb zwei?” und wieder verblüfft franz mit ungeahnter agilität: ruckzuck ist er auf den beinen, aus dem zelt und sein rucksack gepackt! keine zwei stunden dauert das!
und schon sind wir in unserem letzten wandertag unterwegs. es dämmert gleich.
das ist ein bischen schade, weil ich mich auf diesen letzten teil der wanderung gefreut habe. wir laufen jetzt an den oberen seen, wie sie wohl heissen, entlang: zwei grosse und mehrere kleine sehr klare gewässer mit komplett unbebauten ufern die sich herrlich lautlos in die hügel schmiegen und von viel wald an ihren ufern gestreichelt scheinen. mehrmals schon bin ich von hier lächelnd in meinen alltag zurückgekehrt.
unser lagersee ist der grösste von ihnen und wir folgen erstmal seinem rand.
eine neue unwegsamkeit erschwert das laufen immens: der mittelstreifen zwischen den vereisten wegmulden, der wegteil also der sich eigentlich am besten läuft, ist hier auf viele hundertmeter komplett vom wilden schwein zerpflügt! jenseits der wegung keine spur vom schweinetreiben, nur auf unserem pfad!
und sofort hat der franz eine theorie für dieses phänomen parat: die mulden links und rechts sind so stark verdichtet und verfestigt, dass kein durch den boden sich bewegendes getier da durchkommt und somit alle zwischen den mulden sich befindende oder geborene fauna quasi in diesem mittelstreifen “gefangen” ist. und schwein weiss sowas natürlich und pflügt los.
ich finde, das klingt plausibel. läuft sich aber scheisse.
so, als ob es keinen weg gäbe, nur gefrorenen groben acker. die wenigen ebenen stellen sind wie gewohnt arschglatt.
und dann liegen auch noch bäume in oberschenkelhöhe quer darüber. der alte mann ächst und stöhnt ganz schön, der andere auch…
an einem lichten ginsterbestandenem hügel mit aussichtsplattform entstehen die letzten fotos dieses tages, danach ist es zu dunkel. ein wenig leichter geht sich´s hier, da es platz am wegesrand gibt. auch gibt es hier die möglichkeit, den weg zu wechseln aber wir bleiben auf unserem, wenn der auch etwas länger ist, aber er führt viel dichter am wasser entlang, auch, wenn wir davon nicht mehr viel sehen…
also eigentlich führt dieser weg nicht am wasser lang, sondern nur bis dorthin: er endet am nordöstlichen ufer des wustrowsees. das irritert uns ein wenig.
ein bauchhoher pfahl mit einer wanderwegsmarkierung steht verloren im gestrüpp etwas abseits neben einem sehr unscheinbarem, sehr schmalem pfad.
gelbes quadrat im weissen kreis.
sollte das unser pfad sein? sollte es wirklich da weitergehen? skeptisch folgen wir schild und pfad und erkennen bald einen zweiten pfahl mit schild.
gelbes quadrat im weissen kreis. und noch einen dritten.
tatsächlich, das ist ein wanderweg! ohne schild würde ich den für einen wildwechsel halten. er ist an einigen stellen wirklich nur erahnbar und jetzt im winter natürlich auch nicht beräumt, sodass wir über den einen und den anderen gefallenen baum rüber müssen und fragen uns, wie dashier wohl im sommer aussieht, wenn die jetzt kahlen büsche blatt und dorn tragen. und wachsen. kommt dann wer und hält den weg begehbar? das will ich herausfinden und muss deshalb wohl nochmal hierher. freu mich schon drauf! und werd´s berichten.
ich hätte nicht gedacht, dass in zeiten, in denen städte verklagt werden, wenn sich madam am bordstein den hacken vom schuh bricht sich jemand für soeinem pfad verantwortlich macht, indem er ihn beschildert und freue mich auch deshalb sehr über diese entdeckung.
wir folgen ihren windungen ´ne gute halbe stunde durch busch und baum bis wir bei fischer frischkes fischteichen auf den eisweg treffen, den wir am ginsterhügel nicht nehmen wollten. dabei passieren wir auch den bürgermeistersee (warum der wohl so heisst?) auf dem eisangler ihrem sport nachgehen oder frierend stehen. und so wird auch dieser tag einer, an dem wir nur fast keine menschen treffen.
ein wirrwar von abzweigungen lässt uns zögern, welche denn zu gehen ist als die petrijünger, ihr tagwerk getan, uns entgegenkommen um nach dem rechten weg gefragt zu werden.
“nach weitendorf müsst ihr den da nehmen,” dreht sich einer um und zeigt auf den am steilsten ansteigenden “den geht ihr erstmal in´n wald rein und dann bis er zuende ist und dann nach rechts. das is´ aber noch´n ganzes stück!”
“naja, das werden wir schon schaffen!”
“aber da müsst ihr vorsichtig sein, der ganze weg ist vereist!”
“das geht uns schon ´ne woche so!”
“oder ihr geht die strasse lang”
“ne, ganz sicher nich!”
“ne, is´doof ohne licht. viel spass euch!”
wenn man schon leute treffen muss, sind freundliche fischer wohl ganz recht…
schon mal ´ne eisbahn mit 15% steigung hochgestiegen? also der berg ist echt der hammer! dass da keiner von uns gestürzt und wieder runtergerutscht ist versteh´ ich irgendwie nicht! war aber so! und keuchend oben angekommen sehen wir das weiss sich glänzend schlängeln, auf und ab bis in den schwarzen waldhorizont. mit ordentlich anlauf könnte man wohl den ganzen weg in einem stück rutschen! was für ein spass für einen jungen…aber als alter (mit) sack…taste ich mich fuss um fuss um fuss…
im wald wird es ein wenig besser: inzwischen stockdunkel kann man den mittelstreifen etwas dunkler als die weissen rinnen erahnen und darauf sich vortasten.
doch dann fängt es an zu schneien!
und in kurzer zeit ist alles weiss! wunderschön erhellt der schnee die nacht – und verdunkelt des weges glätte…
aber was solls. ungefähr zur gleichen zeit, wie der letzte bus des tages zum nächsten bahnhof erreichen wir weitendorf ungestürzt und schwitzend.
wir nehmen ihn nicht.