bahnal : am strang lang :schwerin – schwerin mitte – (schwerin görries) – schwerin süd – holthusen: keine couch!
(begangen am 06.01.20, )
durch die stadt – klingt nicht gut! und diese etappe ist tatsächlich die, auf die ich mich am wenigsten freute… aber immerhin schaffe ich diesmal tatsächlich den 8:24uhr zug!
und das wetter passt hervorragend: es ist diesig, dunkel, leicht windig und ein feiner niesel fällt permanent schräg von vorn aus dicker wolkendecke auf den wanderer. die stadt ist noch ein wenig mehr grau als sonst und die dämmerungsschalterbestückten strassenlaternen gehen wohl den ganzen tag nicht aus…
9,1eu kostet die fahrt im roten zug und dauert ziemlich genau ´ne halbe stunde. halbwegs befriedigende fotos schaffe ich mit iso400, blende 6 und zwei stufen unterbelichtung…
wie schon haufiger erwähnt, sind die worte “stadt” und “schön” in meinem sprachgebrauch nur äusserst selten in ihrem wahren sinn in einem satz kombiniert: passt einfach nicht zusammen! schwerin allerdings hat da einen grossen vorteil den meisten anderen menschengrossansiedlungen, die ich kenne, gegenüber: wasser! viel wasser: diese stadt wird auch die “der sieben seen” genannt und nach nur knapp einer halben stunde recht gemächlichen fortbewegens mit vielen halten zum bildermachen bin ich denn auch schon an einem: dem ostorfer see.
vom hauptbahnhof aus sind die gleise in einem stadtteilenden “graben” verlegt an dem man mal mehr, mal weniger dicht entlanggehen kann und auf den stadtverbindenden brücken über den “graben” kann man dann fein den strang und sein drumherum fotografieren.
am packhof – franz-mehring-strasse (brücke) – lübecker strasse – wittenburger strasse +brücke – reiferbahn – eisenbahnstrasse – brunnenstrasse: so sind die wege benamt, die ich gehe, dann noch ostorfer ufer rüber bin ich auf einem weg mit dem wundervollen namen “auf dem dwang” zwischen der eisenbahntrasse, die nun nicht mehr im graben verläuft, sondern auf einem damm sich rechts von mir erhebt, und besagtem see auf einem uferweg. und von landeshauptstadt ist nix mehr zu ahnen, obwohl ich noch mitten in ihr bin.es unterquert mein weg die bahn dann irgendwann auf die rogahner strasse. hier scheint wohl eine sanierung geplant zu sein, entnehme ich an anrainers gartenzäunen angebrachten spruchbändern. unzufrieden scheint er zu sein, der anrainer, aber das ist er ja meistens, wenn vor seiner tür sich was ändert. augenscheinlich ist er nicht genügend an der sanierungsplanung beteiligt worden, erschliesst sich mir aus einem transparent. aus einem anderen, dass wohl alle bäume in der strasse gefällt werden sollen. das gefällt auch mir nicht.
was er aber mit dem spruch “Wozu Strasse sanieren? Lieber Bürger rasieren.” meint, bleibt mir ein rätsel.
aber ich bin ja auch kein anrainer hier.
unter der L72 durch beschreite ich dann die baustrasse. die wurde wohl mal angelegt zur bedienung eines randstadtindustriegebietes. mit gleisanschluss. alles noch da, aber wohl weit weniger und ganz anders genutzt als zu zeiten des strassenbaus. so findet sich zum beispiel eine kartbahn an strassens rand. “indoor”. für mich ist nicht erkennbar, ob noch in betrieb oder schon wieder vergangen und nur noch nicht weggeräumt. was aber erkennbar ist, ist ein preisliches lockangebot: “Nur 8 Euro / 10 Minuten!” für mich mal wieder ein beispiel für verlorene relationen und abhanden gekommenen bezug zur realität. und es sollte nicht das letzte sein…
an abgestellten güterwagen, die wohl schon länger hier stehen und von denen einige eigentlich in paris wohnen, vorbei quert die baustrasse dann in einer 90gradkurve die gleise und bringt mich zu möbelhaus nr1. die couch, die ich suche, muss klein sein und ausklappbar, 220x180cm mit schlaffunktion. hier gibt es sie nicht: nur eine hat die richtige grösse, aber kein bett, eine zweite ist 10cm zu lang…naja, dann eben nicht
gleich neben der schweriner bildungswerkstatt überquere ich das bogengleis und bin endlich wieder asphaltlos unterwegs.
ein kleiner teich mit wildem ufer erfreut mein herz im nieselregen. mehrere reiher finden wohl nicht so gut, dass das passiert und erheben sich von ihren ansitzen, als ich dem gewässer näherkomme. ausgetretene pfade am bildungswerkstattseitigen ufer lassen mich vermuten, dass bildungswerkstatt benutzende hier gerne mal zum rauchen oder so… ihre pausen verbringen oder so…
“berufsvorbereitung, berufsausbildung, fortbildung” sind der zweck der bildungswerkstatt (steht auf dem schild über dem eisenzaun mit den nach vorn gerichteten spitzen) und hier am po der stadt kommt mir ganz spontan der vielzitierte “bildungsferne hintergrund” in den sinn…keine ahnung warum…
jedenfalls ist bald auf meinem weg kein pfad mehr da, nur noch wildes gestrüpp, und ich muss direkt aufs gleis, um weiterzukommen. sehr schön hier! nach der stadtwanderung. eine brücke überquert einen wassergraben raus aus oder rein in den teich…
bis zum bahnhof görries folge ich dem bogen. dann breche ich durchs randgestrüpp wieder ins naturschutzgebiet auf weites freies wiesenfeld. “siebendörfer moor” heisst dieses naturschutzgebiet am südlichen ende der landeshauptstadt. im letzten sommer war ich schon mal hier und sehr irritiert von diesem: es ist eine weite ebene fläche mit nur sporadischem grosspflanzenbewuchs, durchzogen von entwässerungsgräben und starkstromleitungen, mit kleinen teichen und vielen spuren vergangener bewirtschaftung. ich war damals nicht sicher, ob ich es traurig oder faszinierend finden sollte. aber nach dem heutigen besuch bin ich mir sicher, dass ich es unbedingt mal intensiv besuchen und ihm eine eigene geschichte widmen muss: es ist faszinierend! anders.
vielleicht war das wetter an diesem tag der grund für diesen entschluss, das himmelgrau, der dunst, der niesel, die dichte der luft, die den krach der umgebung verschlang…vielleicht auch die weite und die menschenleere…
wenn es mal ein moor war, was der name ja vermuten lässt, war es ein ziemlich grosses und seine entwässerung ein aufwändiger brutaler akt. die zu dieser vergewaltigung notwendigen gräben sind heute wasserläufe mit spannendem neuleben und in verbindung mit den damals gewonnenen und heute maximal als weideflächen genutzten äckern hat sich ein grosses potential neu zusammengefunden zu hoffnungsvoller zukunft: da geht was! glaub ich. die stromleitungen sind sehr dominant und störend. aber als ich an diesem januartag mir nasse füsse holte im siebendörfer moor hab ich sie bald vergessen, ignoriert, als die weite mit den reihern und gänsen und krähen und rehen mich einsog in ihre souveränität! ich muss da unbedingt mal schlafen…!
schön weglos laufe ich da durch.
und auch frage ich mich, was namengebend war für dieses moor: war es siebendorf? oder waren es sieben dörfer? nun, siebendorf gibt es heute nicht, und wenn ich mir die landkarte ankucke komme ich mit bestem willen auf maximal 5 dörfer rundherum…oder sind zwei versunken in ihm? oder war, wie leider oft, ein ansässiger gutsherr namensgeber? seine majestät graf siebendorf? und der jogger in seiner neongrünen leuchtjacke ist das zweite beispiel für realitätsverlust an diesem tag! sei eins mit dem land, durch das du läufst und nehme es in dich auf! beleidige es nicht durch dich! lass nicht deine jacke die leuchte sein! sei du sie!
bis zum haltepunkt schwerin- süd bin ich am rand des siebendörfer moores und an “meinem” schienenstrang unterwegs, dann weiche ich auf grund des einkaufvorhabens ab auf die schweriner strasse zum gewerbegebiet pampow. im landeshauptstadtperipher gebautem einrichtungsverkaufsklotz versuche ich erneut, mein sitzschlafmöbel zu erwerben. und tatsächlich finde ich eins, was genau meiner idee entspricht! jedoch kostet es 4500 euro! und wieder ist er da, der realitätsverlust. aber ich bin nur wenig enttäuscht, mehr entsetzt…und beschliesse ein mittagsmahl in möbelhauses kantine: gullaschsuppe, bohnensalat, kaffe: 10,4euro. geht so, is aber real trotzdem vielzuviel.
der gang danach zurück zum gleis durchs gewerbegebiet bleibt auch fotografisch unkommentiert (weil ziemlich unschön) und führt illegal über die bundesstrasse 321 (kein fussgängerüberweg) auf einem kruden pfad bis zu einem zweckgebäude elektrischer art und endet dann da. der bahnhof holthusen ist von hier aus schon zu sehen, aber es gibt keinen weg, der dahin führt. und so gehe ich am rand des strangs auf gepflügtem acker in gewollte richtung bis zu dem ginsterfeld, dass ich immer schon, wenn ich da vorbeifuhr, neugierig und sehnsüchtig für unbedingt erkundenswert gehalten habe und freue mich, endlich da zu sein. allerdings wäre hier wärme und sonne schön gewesen, der zu fotografieren möglichen gliederfüsser wegen, aber es ist januar und diesig und nass und klimaerwärmter winter und wunderschön! und schwer durchdringbares terrain, wenn man kein waldtier ist, wie ich.
nicht aufgefallen bisher, wenn ich vorbeifuhr, ist ein vom bahnhof holthusen abzweigender gleisanschlussrest dem ich jetzt, wo er mir aufgefallen ist, folge zu resten vergangener sozialistischer planerfüllung: industrieruine. “unääär” steht in einem der müllvollen resträume an die wand gemalt und das trifft es genau!
wieder über matschigen acker bin ich denn bald in holthusen. oder nee, bin ich eigentlich nicht, nur der bahnhof heisst so. der ort daneben ist pampow. und als ich später durch google rauskriegen will, warum das so ist, bin ich noch verwirrter: holthusen ist eine gemeinde aus vier ortsteilen und der bahnhof liegt daneben….
nach illegaler gleisüberschreitung (legal hätte ich bis zum ende des bahnsteigs und dann durch eine unterführung gemusst) bin ich auf dem bahnsteig holthusen richtung berlin und muss dann nur noch am ende des bahnsteigs durch eine unterführung auf der anderen seite wieder hoch zum bahnsteig zu meinem zug nach wismar.
wieder mal uhrzeitstudium sagt mir, dass mein zug erst in einer halben stunde fährt und ich beschliesse nicht nur deshalb, sondern auch weil ich gefühlt noch nicht genug gewandert bin zurück nach schwerin-süd zu laufen.
und ich tue das. ein kleines stück asphalt, dann von dem abweichend direkt am gleis lang über frischgepflügten acker bis zu einem kleinen wald, durch den durch, zu einer dieser überdimensionierten genormten gewerbegebietszugangsstrassen mit fahrradweg, kurz an ihr entlang, weil es nicht anders geht, dann wieder runter an den strang und weglos durch gestrüpp und gebüsch und dornenhecke gekämpft bin ich genau zur abfahrtszeit des kollegenzuges in bahnsteigsichtweite und rufe und winke aber niemand hört und sieht mich…
und so verpasse ich ihn!
und muss dann eine stunde auf den nächsten warten. kurz bin ich verärgert und will grade schlechte laune kriegen bis mir bewusst wird, dass ich ja nur 58minuten warten muss…und da freue ich mich
und fotografiere noch ein grosses gelbes plakat am bahnsteig auf dem amnesty international uns erklärt, dass menschenrechte unbezahlbar sind und wir deshalb dafür bezahlen sollen.
auch wenn es wohl keiner ist, sondern eher das genaue gegenteil, ist dieses plakat für mich ein weiteres beispiel für realitätsverlust. und verlorene relationen
die fahrt zurück nach wismar kostet 10,4eu und um 15:37uhr bin ich da.
fazit
eine zweitwohnung braucht nicht unbedingt eine couch und ein jogger nicht unbedingt einen tarnanzug
fazit 2
die strecke kann man gut nachwandern…muss man aber nicht…macht fast keinen muskelkater
fazit 3
wenn das wetter schlecht ist, ist die stadt schön…aber das wetter ist eigentlich immer gut…und das siebendörfer moor sollte man erlebt haben
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