besiegt

was für eine nacht! in irgendeiner vorahnung habe ich einen notschlafsack(dünne decke mit reissverschluss) wasserdicht in meinen rucksack gepackt und ausserdem hatte ich noch den bisher nicht benutzten biwaksack und dachte mir aus diesen beiden ein halbwegs machbares übernachten zu konstruieren…
ja, und die idee mit der isomatte und ihrer autoscheibenfrostschutzdecke als unterlage, die zwischen sich trocken bleiben und im notfall umgedreht zu einer halbwegs trockenen unterlage werden, hat auch kurz funktioniert….
war ´ne coole nacht!

150115

als es hell wird “erwachen” wir in einen neuen regentag…von der weissen pracht der letzten nacht sind nur noch winzige reste zu sehen. zwischen den zelten hat sich die laubschicht in modder aufgelöst und es ist nicht leicht, einen platz zu finden, an dem der ü40hocker nicht sofort im schlamm verschwindet wenn man sich draufsetzt. morgenzigarette und kaffe …und dann beginnt das warten auf besseres wetter: wir hoffen auf eine kurze pause im regen, in der wir unsere sachen packen können. der regen setzt tatsächlich abundzu mal aus, aber nie länger, als der wind braucht, um das regenwasser von den bäumen über uns auf uns zu regnen. und dann entdecke ich auch noch eine quelle oder einen abfluss vom feld hinter uns und ein daraus entspringendes rinnsal das die böschung runterrinnsalt um dann kurz unterirdsich fliessend genau unter meinem zelt wieder an die oberfläche zu treten! zu allem glück auch noch wasser von unten…! es hat vorteile, sein lager im hellen aufzubauen und genau zu kucken, wo man das tut…allerdings weiss ich nicht ob wir diesen wasseraustritt unter der laubschicht bei diesem wetter bemerkt hätten. und ich kann auch nicht sagen, ob sich dieses wasser in der letzten nacht irgendwie bemerkbar gemacht hat oder ob der vor der reise angebrachte zweite zeltboden dicht gehalten hat…wasser war überall und wo es genau herkam total egal!

wenn man genau hinkuckt sieht man regenfeines lager am seewaiting for the sun...da, wo das schilf fehlt

fast´ne stunde stehe ich beinahe reglos am ufer im regen und beobachte einen silberreiher, der sich am anderen seeufer einen jagdplatz sucht und als er ihn gefunden hat von einem graureiher vertrieben wird und sich einen neuen platz sucht und vom selben grauen wieder vertrieben wird und sich nochmal einen neuen platz sucht und nochmal vertrieben wird…und dann irgendwann den see wechselt. und nur weils regnet und wir hier auf sonne warten hab´ich zeit für sowas…
wir warten bis eins, dann müssen wir abbauen, wenn wir nicht noch eine nacht hier an diesem schönen lagerplatz am see bleiben wollen. ich versuche gar nicht erst, schlafsack, isomatte und zelt wie gewohnt zu verstauen sondern packe alles einzeln in müllsäcke und die dann irgendwie in und an den rucksack. und dann wieder rein in die nasse jacke und aufgesetzt das ding. schmatz. der wassersack ist zwar alle aber die 10kilo zusatzgepäck hab´ich trotzdem noch…als wir die böschung hoch wieder auf das reisfeld steigen kommt uns so der gedanke, dass bei den wassermassen ja eigentlich auch der ganze abhang in den see hätte erdrutschen können…oben angekommen stecken wir knöcheltief im matsch und die hundert meter bis zur strasse sind ein schöner auftakt in den heutigen wandertag.
erstmal gehts über die brücke auf der strasse nach bolz nach mustin und von der brücke werfen wir einen blick zurück auf unseren lagerplatz:” da, wo das schilf fehlt…” und dann kastanienallee richtung witzin: schmaler asphalt, offenes gelände, diesig, wind von vorne und feiner niesel von überall, in böen meist direkt ins gesicht. ich versuche wiedermal dieses wetter irgendwie auf ein foto zu bannen aber es gelingt mir nicht wirklich: man sieht den regen nicht.

man sieht den regenfeld am wegesrandnich´mehr weit bis zum waldam wegesrand ein feld

am horizont ist wald zu sehen und bis dahin wird stoisch durchgewandert. der hauptweg zweigt am waldrand 90grad ab um nicht in den wald zu müssen, aber geradeaus direkt rein gibts einen schönen nebenweg. unsere karte zeigt, das dieser bis zu einem wasserlauf führt und dann zuende ist. franz ist nicht begeistert, als ich ihm sage, dass ich glaube, dem hauptweg zu folgen wäre unserem anliegen dienlicher als den schöneren weg zu nehmen. ich auch nicht, aber auf der karte ist in nichtmal 300metern eine schutzhütte verzeichnet, und das überzeugt! ich denke an einen mindestens nach drei seiten dichten unterstand und male mir schon aus, wie wir darin ein feuer machen und die nassen klamotten zum trocknen in den rauch hängen…teechen kochen und knäckebrot essen…
aber natürlich wird da nichts draus: die schutzhütte ist eine von diesen dachpappegedeckten spitzdächrigen x-beinigen tisch-2bänke kombinationen, die man oftmals in reizvolle gegenden stellt um picknick auf wiesen zu unterbinden oder auch um wochenendfahrradtourenetappenziele zu generieren. diese spezielle hier macht den eindruck, als ob sie die in sie gesetzten erwartungen schon lange nicht mehr erfüllt und deshalb sich selbst überlassen hier auf die einverleibung durch ihre umgebung wartend allein gelassen wurde.

von da sind wir gekommennaturwaldkonto ökozelle

das einzig wirklich neue an diesem rastplatz ist ein schild mit der aufschrift “naturwaldzelle ökokonto”, womit wir beide absolut nichts anfangen können

wikipedia sagt dazu folgendes:
“Als Naturwaldreservat (NWR) werden größere Waldgebiete ausgewiesen, in denen die Entnahme von Holz und sonstige forstwirtschaftliche Nutzungen untersagt sind. Für die Reservate werden länderspezifisch unterschiedliche Bezeichnungen verwendet: Naturwaldreservat, Naturwald, Naturwaldzelle, … “(http://de.wikipedia.org/wiki/Naturwaldreservat)

“Ein Ökokonto ist ein Naturschutzinstrument auf kommunaler Ebene im Rahmen der Eingriffsregelung. Heutige Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen werden dokumentiert und können in einen Flächenpool eingetragen werden. Die Flächen stehen bei späteren Eingriffen in Natur und Landschaft im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen zur Verfügung.” (http://de.wikipedia.org/wiki/Ökokonto)

ja, und wenn man dann noch “eingriffsregelung”, “ausgleichs- und ersatzmassnahmen”, “flächenpool” und “kompensationsmassnahmen” recherchiert ergibt sich für mich daraus folgendes bild: wenn irgendwer irgendwo was baut und dadurch natur zerstört ist er vom gesetz verpflichtet, in gleichem masse irgendwas positives für die natur zu tun. und wenn er sowas öfter tut, kann er sich dafür ein konto anlegen, ein ökokonto eben. er kauft also zu diesem zwecke ausgewiesene wiesen, wälder oder ähnliches, verbucht das auf seinem konto und kann dann ganz ruhigen gewissens seine fabrik oder eigentumswohnungen oder autobahn in den wald oder das moor seiner wahl stellen.
unsere spezielle naturwaldzelle hier trägt den klangvollen namen oekokonten_fv_p.fid–34ff4668_14be8cb1887_-4e06 und kann von einem Herrn von B.. aus schleswig-holstein erworben werden. und da frage ich mich: wieso von dem? hat der vielleicht mal mecklenburger wald aus ddr-konkursmasse “günstig geschossen” und verschachert den jetzt teuer an unser gerade angesagtes ökobewusstsein? nun, weiss ich nicht, aber einen wald einfach sich selbst zu überlassen gefällt mir ziemlich gut; bleibt nur zu hoffen, dass sich da nicht schützenswerte flora und fauna entwickelt, die uns irgendwann dazu zwingt, diese naturwaldzelle mit neuen schildern auf denen “betreten verboten” steht vor mir zu schützen.

aber es gibt hier eine mülltonne, altes modell, eingegraben bis zum hals und voll bis zum rand mit biologischem nährboden: trotz der niedrigen temperaturen wimmelt es in ihr von fliegen im jugendstadium. es macht den eindruck, dass erfolgreich von der jagd zurückkommende jäger sich hier gern ihres unverwertbaren ausgenommenem entledigen.
wir pressen eine leere rumflasche und den anderen abfall der letzten tage dazu und essen trotzdem knäckebrot.
dann gehts einen “kleinen” hang hinauf in die zweite 90grad-kurve dieses wegs und weiter auf asphalt bis zur dritten. und hier sieht man deutlich einen alten weg in den scheitelpunkt des winkels münden: alte bäume stehen in reihe an seinem rand. die direkte verbindung zu unserer strasse ist weggepflügt.
wenn wir am ersten winkel nicht abgebogen wären, wären wir bestimmt hier rausgekommen; kein mensch legt wege in so einem zickzack an (zumindest nicht zu der zeit, wo dieser entstand) aber so umgeht man wohl die naturwaldzelle. ich hoffe, nochmal die gelegenheit zu haben, diese theorie zu überprüfen.
mecklenburger gemeinden zeichnen sich oft durch periphere verlassene und verfallende lpg-reste, also alte ställe und hallen aus ddr-zeiten aus und genau sowas hoffen wir zu finden um darin ein feuer zur klamottentrocknung zu machen. so, wie wir es schon in der “schutzhütte” vorhatten. der nächste ort auf unserem weg ist witzin und aus unserer richtung kommend hat der sowas leider nicht, aber vielleicht auf der anderen seite?
der aufmerksame leser wird sich erinnern, dass witzin der ort ist, an dem die wanderung im letzten jahr ihr unrühmliches ende fand – und das soll diesmal nicht passieren obwohl die vorraussetzungen dafür eigentlich erfüllt sind: nur noch ein zelt, nur noch ein schlafsack…und jemand, der uns abholt und fein essen und trinken und ´ne dusche und ´n warmen ofen hat ist auch nur einen anruf entfernt.
aber noch hoffen wir auf den alten stall am ortsausgang…zumindest ich, denn etwas überraschend meint franz, dass es eigentlich quatsch ist mit nassem zelt und schlafsack noch ´ne nacht im wald zu bleiben. schliesslich sind wir hier ja zu unserem vergnügen.
“wir suchen uns hier ´ne kneipe, essen soljanka und trinken bier und rufen an und lassen uns abholen”
es ist nicht schwer, mich zu überzeugen.
besiegt!
in witzin!

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