WLOW-WL

bahnal : am strang lang :
lüblow – ludwigslust: weiter als man denkt

(begangen am 03.04.20,                          )

der bauer ist fleissig dabei, seine felder zu bestellen und ich befürchte schon, in diesem frühjahr nicht mehr weit zu kommen auf meinem weg am strang lang nach berlin als sich gänzlich unerwartet ein freier tag ergibt…der dritte des aprils.
…und die gunst der stunde nutzend fahre ich um 08.24uhr (jaja, tatsächlich…!) für 15,5euronen nach lüblow und verlasse da genau eine stunde später pünktlich den roten zug in einen sonnigen frühfrühlingstag. ein arschkalter westwind schmälert das vergnügen nur unwesentlich, macht aber ein kaltes ohr…
als ein kollegenzug aus der gegenrichtung in den haltepunkt einfährt bin ich rechts vom strang auf einem gut ausgebautem weg unterwegs. ca. einen kilometer kann ich diesen weg benutzen bevor der sich rechtwinklig westwärts aus meinem wanderplan entfernt. und das wird für viele kilometer der letzte gewesen sein…
an einem kleinen gehöft und einem rinderstall, vor dem grad recht geruchsintensiv gülle in treckerhänger gepumpt wird auf der rechten, am alten bahnhofsgebäude und einem wohnhaus auf der linken seite vorbei bin ich dann auf freiem feld.
in vergangener zeit führte der weg nach westen in seiner gegenrichtung über die gleise auch nach osten, aber den bahnübergang gibt es nicht mehr. und das hätte mir auch nix gebracht: ich will ja gradeaus…und da is´ acker.

also gradeaus.
mais für biodiesel wohl war im letzten jahr das hier gewonnene bauernprodukt und übrig ist jetzt ein gut begehbares stoppelfeld welches ich bis zu einem kleinen wilden waldstück am strang lang leichtfüssig bewandere. an diesem wildwald vorbei gehts entweder stoppelfolgend aussenrum oder warnwestendicht am gleis. ich nehme weg 2 und rebelliere: keine warnweste! naja, ich weiss, wann personenzüge hier langfahren und ich weiss auch, das güterzüge hierlang fast immer vom wismarer hafen kommen und vom wismaraner fahrdienstleiter, dass grade jetzt keiner fährt…neudeutsch bin ich also “safe”… und es sind ja auch nur wenige hundertmeter bis ich am “hindernis” vorbei wieder auf dem stoppeligen weiterwandern kann.
dann wird aus stoppeligem wiesiges oder weidiges, weiss nich genau, läuft sich aber leicht.
und als erneut ein kleines wildes waldstück sich mir in den direkten weg am strang lang stellt entschliess ich mich spontan an waldesrand entlang vom strang zu weichen. es ist diese unglaubliche ruhe mit diesem unglaublichen frühlingsvogelkrach, die mich dazu treibt. wunderschön! an waldes rand entlang und auch an feldes…
und der himmel malt polfilterdramatisches in meinen fotoapparat.
auf einen alten weg treff ich dann, der wieder richtung strang mich leitet und da endet. da war wohl mal ein bahnübergang und seit dem der nicht mehr da ist hat der weg seinen sinn verloren und wird langsam vom kleinen wald gefressen…es ist ein sehr schöner alter pfad menschlicher vergangenheit und ich finde die abgeworfene schaufel eines damhirsches und packe sie in meinen rucksack, wohl wissend, dass ich damit deutsches jagdrecht breche und mich strafbar mache…ich bin wahrlich ein rebell!

so ackerflächen sind oft von bäumernen reihen begrenzt, oftmals mit einem weg zwischen den gehölzen. das sind überreste vergangener kleinbäuerlicher parzellenaufteilung, die aber manchmal auch in zeiten heutiger riesenfelder noch bestehen und vielleicht auch immernoch den selben zweck erfüllen. genau sowas kommt jetzt auf mich zu, oder eher: ich auf sowas: eine wegbegleitende doppelreihe birkengehölz wächst von westen sich zum bahndamm hin, verläuft sich aber kurz davor im acker.
aber man sieht, dass sie mal bis ran ging an den strang und da, wo sie auf ihn traf, treffe ich auf phantasieanregendes:
eine kleine baumgruppe hat sich auf einem flachen hügel entwickelt, erhalten und verbuscht.
in ihr ein verfallener jägeransitz, dem man ansieht, dass er dunnemals mit viel hingabe erschaffen wurde. vor diesem, direkt am gleis, drei hölzerne kreuze in den boden gesteckt, vor langer zeit.
und ich sehe einen alten jägersmann aus dem dorf am westlichen horizont. immer schon ging er hier zu diesem ort in seinen unterstand und beobachtete das getier in seinem revier. ab und an, ganz selten, schoss er eins und brachte der familie die legitimation für sein ewiges wegsein von ihr auf den gemeinsamen tisch. immer dabei sein treuer begleiter, sein einzig wahrer freund: sein hund.
neben ihm sass er und empfand und spürte und genoss und liebte und lebte mit ihm.
viele jahre kam der jägersmann immer nur an diesen einen, seinen ort und pflegte seinen unterstand und machte es sich schön und sicher und bequem.
nur sein treuer freund lebte nicht so lange, wie er und er musste sich einen neuen suchen.
drei mal!
immer war es schwer, aber immer wurde es gut am ende! er war ein guter mann und er machte sich gute freunde!
zwei mal…und dann ging auch er.
und niemand traute sich, seinen unterstand anzurühren.
und so verfiel er in sich selbst und die drei kreuze seiner freunde wurden auch schwächer mit der zeit, bleiben aber standhaft stehen! für ihn! bis alles weg ist! dann gehen auch sie…im kilometer 36,6.

ja, so könnte es gewesen sein…
aber so ein ort, so weit weg von menschlichen behausungen, ganz einsam und versteckt, dazu eine dunkle enge hütte, und auf einem hügel drei kreuze… da könnte auch was ganz anderes abgegangen sein. wer weiss…

schilfig wirds am strangrand, die “beck” unterquert die gleise. einer dieser vielen kleinen vergewaltigten begradigten mecklenburger bäche. schön schnörkellos durchtreibt sie das südmecklenburger ackerland, von niemandem wirklich wahrgenommen, von niemandem beachtet, ausser dem anrainenden bauern, der ihretwegen brücken bauen und umwege fahren muss zwischen seinen feldern.
und mir.
armes ding!
aber mehrmals schon sah ich beim drüberfahren über die massive betonnene brücke nutrias im angrenzenden feld feldfruchtreste fressen und glaube fest daran, dass auch die beck vom wachsenden umweltbewustsein ihrer vergewaltiger profitieren wird. immerhin hat der bauer ja schon den schilfwuchs zugelassen. oder zulassen müssen.
nur 600 meter vom verstorbenen jägersmann entfernt unterfliesst die beck den strang, genau da, wo ich, wenn ich drüberfahr, die leistung meines schienenfahrzeuges auf null stelle und uns bis ludwigslust rollen lasse, dauert gut 3minuten…
und just in diesem moment fährt mal wieder ein kollegenzug vorbei richtung süden …lass rollen, kumpel!
fussläufig bin ich ein wenig länger unterwegs in melioriertem ackerland. grade jetzt taucht aus dem nix vor mir ein graben auf, der parallel zur schiene so dicht an ihr lang sich streckt, dass ich überlegen muss, an welcher flanke ich ihn entlanggehen soll: rechts ist viel platz. aber ich sehe in einiger entfernung einen 90grad-knick dieses wassers und keine brücke vorher; links ist nur wenig platz bis zum gleis und in einiger entfernung dichtes buschwerk bis zum gleisrand…
ich bin ziemlich sicher, dass es eine brücke gibt, aber eben nicht 100prozentig, und entscheide mich daher für den linksseitigen…schön blöd! so isser eben, der rebell

mal wieder ist der kabelschacht, der eigentlich an jedem gleis entlang sich zieht, mein fussweg. man stelle sich u-förmige, in den boden eingelassene betongüsse vor, die mit betonplatten, immer so 30cm lang, abgedeckt sind, eine nach der anderen auf einem (ca. 50cm lang) nach dem anderen. im dazwischen entstandenen hohlraum liegen wichtige kabel für signale, weichen, magneten und weiss ich was noch. wenn mal irgendwo was nicht funktioniert kann der wartungsmechaniker die 30cm-platten locker alleine von den 50cm-innererdigen u-förmigen abheben und kucken, was los ist und reparieren. hier war schon lange nix mehr kaputt und die abdeckplatten sind seit ewigkeiten nicht mehr bewegt worden: es ist moos auf ihnen gewachsen und das ist scheisseglatt! hab ich nicht mit gerechnet, bis ich fast auf meinen arsch mich setze beim ausrutschen auf diesen grandiosen feuchtigkeitsbeherrschenden gewächsen.
erwähntes buschwerk dicht am strang ist nicht nur dicht dran sondern auch noch sehr dornig! natürlich! ich kämpfe mich dadurch und wieder weg vom gleis richtung graben. und genau da, wo die brücke über den graben sich spannt, komm ich raus. …
nochmal kurz maisstoppeln und dann wieder ackerwiese und plötzlich kunst! am weg: moniereisen zum herz gebogen und auf kaputtem warndreieck drapiert. ist das kunst, oder kann das weg? überall woanders kann das nicht nur, sondern muss!weg! hier aber ist es wohl auch keine kunst, sollte aber noch sehr sehr lange stehen bleiben. mein´ ich.
ein abgezäuntes gartenstück hier im “nichts” hinter der kunst überrascht mich ein wenig, is aber da.
kohlartiges in sauberen reihen wächst da ohne “unkraut”, also kümmert sich jemand um diese anpflanzung. komisch ist nur, dass das tor weit offen steht und weitundbreit niemand zu sehen ist…
nur ich bin hier, glaube ich, und freue mich mal wieder sehr darüber!
ja, und dann nochmal kurz in treckerspuren über wiesenackerwiese bin ich mal wieder angekommen an einem waldrand.
und in streckenkilometer 34 und der ist bedeutend! denn er ist 1600meter lang! und auch der grund dafür, dass ich heute noch zurück nach lüblow laufen will.
aber das erkläre ich später, erstmal wandern wir weiter am strag lang nach ludwigslust – is nich mehr weit, läuft sich aber erstmal scheisse: wieder ist der weg beackert und zerpflügt, wiedermal versinkt der schuh im losen sand, wiedermal versteh ich diese massnahmen nicht.
naja, nur paar hundert meter, dann trifft der eigentlich unbegehbare weg auf einen asphaltenen mit leitplanken, eine strasse. über die planken gestiegen wandere ich auf dieser strasse ein kleines stück bis zu einer kreuzung mit einem anderen asphaltenen weg, der an einem bahnübergang die bahn übergeht und mich die strangseite wechseln lässt. und das ist nötig, denn ginge ich weiter an rechter strangseite entlang, fände ich mich bald da, wo die bahn aus hamburg sich mit meiner trifft in einem dilemma, das nur durch illegale überschreitung stark befahrener gleisanlagen gelöst werden könnte. aber das will ich nicht und brauch ich ja auch nicht weil irgendwelche klugen köpfe den asphaltenen bahnübergang geschaffen haben.
beachtenswert finde ich an dieser strassenkreuzung den wegweiser zu den massengräbern des kz´s wöbbelin: er zeigt mittig zwischen den strassen ins nichts! das kuriose ist, dass die richtung stimmt, nur gibt es keinen weg dalang.
kurz nach dieser trassenüberschreitung kann ich rechts wieder links vom strang meinen weg weitergehen, aber auch hier ist dieser zerpflügt und beackert. was soll dieser mist? ein kollegenzug kommt mir an dieser stelle entgegen und mal wieder erkennt der ihn fahrende mich und hupt erfreut.
illegal!
oder bin ich eine gefahr für den bahnbetrieb?
kann ich mir nicht vorstellen, aber der weg, den ich jetzt gehe, ist auf jeden fall eine gefahr für den wanderbetrieb: erst dieser gepflügte weichsandmist und wo der zuende ist frisch beackerter bauerngrund!
harte nummer! aber ich schaff das!
der nächste kommt dann in zwei stunden, der übernächste in vier… und ich glaube, den will ich kriegen…muss aber nicht
naja, also blöder acker, blödes laufen, am gleisbogen entlang…

zögerlich entwickelt sich ein weg als bauers gepflügter grund auf gleisrandbäume trifft. erst mehr ein pfad wird er stärker, je mehr er sich dem bahnhof ludwigslust nähert.
und als er da dann ankommt, ist er tatsächlich ein gut begehbarer und auch befahrbarer und verlässt das bahnhofsgelände gleich nachdem er angekommen wieder zwischen zwei andreaskreuzen über ein einzelnes vom hauptstrang sich wegbiegendes gleis mit einem prellbock am ende.
ja, und ich bin denn jetzt also da, wo ich heute hin wollte.
und gehe zurück nach lüblow >>>>>>>>>>


>>>>>>>>>> weiter am strang lang: von ludwigslust nach grabow >>>>>>>>>>

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.