isertot

land und leute : der zwanzigste

september des jahres 20 nach millenium war ein richtig schöner warmer spätsommersonntag, zumindest als um 12uhr40 mein feierabend begann. ich hatte keinen konkreten plan für den rest des tages, aber mein fahrrad stand vorm bahnhof und der fotoapparat war im rucksack.
die grobe richtung war klar: raus aus der stadt.
in wismar ist das nicht sonderlich schwer: selbst wenn ich entschiede, vom bahnhof aus den weitesten weg zu nehmen, wäre ich immernoch früher am ziel als in der alten heimat auf dem kürzesten…
durch die stadt ist albern, also wie meistens zum “platten kamp” (geiler strassenname!), an der wismariaruine und der “wall” vorbei zum “lehnser” (lehensruher teich, neudeutsch: jungfernteich)
das fahrrad bestimmt die richtung…oder auch das hirn, keine ahnung. jedenfalls entscheide ich mich spontan für die runde um den mühlenteich. also am lehnserufer entlang zum selben: “mühlenteichronden”

sehr langsam fährt mein rad, sehr schonend den alten mann, sehr geniessend den wunderbaren feierabend, sehrgutgelaunt den pedalentreter.
das wetter ist ein wirklich feines: die sonne zieht die jacke aus, die hose ist zu lang…
auch vier biere habe ich mir noch geholt an der tankstelle an weges rand und alles in allem entwickelt sich ein prima wohlverdienter ausflug.

jedoch das mitgeführte fotografieequipment findet kein motiv: jeder stop auf dieser tour bleibt ohne insekt, ohne spinne, ohne alles! aber auch ohne notwendigkeit: es ist einfach ein schöner ausflug. wo der mühlenbach in den mühlenteich sich fliesst ergibt sich eine schöne pause: ich hole den ü40-hocker aus der satteltasche und stelle ihn ans seeufer, setze mich darauf und geniesse die spätsommersonne mit einem bier. herrlich schön ist das sitzen dort, die beine ausgestreckt, die augen geschlossen in den himmel geschaut…
aber so richtig finde ich das ja nicht und muss bald wieder aufstehen und ins wasser kucken, see sehn… und entdecke eine riesenansammlung junger wasserläüfer, fast alle noch ohne flügel, fast alle grade mal ein paar tage auf dieser welt….und will die natürlich fotografieren!
das ufer hat hier einen absatz von ca 50cm zum see und ist dünn schilfbewachsen. aber das macht ja nix:
mein bier ist alle und ich stelle die leere flasche neben meinen hocker, meine brille (die brauch ich immer, um meine motive grob zu finden; den rest mach ich dann mit der kamera) liegt zusammengeklappt auf dem sitzmöbel. und ich lege mich bäüchlings an den gewässerrand und fotografiere wasserläufer! und steigere mich wie immer rein in dieses motiv und vergesse wie immer die welt um mich herum und bin in meiner welt! völlig geil! das macht richtig spass!

“Hallo! Gehts Ihnen gut?” höre ich bald darauf und brauche ein bisschen, bis ich realisiere, das die sorge der besorgten bürgerin am mühlenteichufer mir gilt: “Brauchen Sie Hilfe?”
“nee nee, alles gut!”

und das war erst der anfang: schon oft an dieser stelle allein gewesen habe ich wohl unterschätzt, dass dieser tag ein sonntag war mit wunderbarem wanderwetter und ganz vielen anwohnern, die am sonntag in sonne hier langwandern mit familie und hund. jeder, der vorbeikam wollte mir helfen! keiner konnte verstehen, dass ich da am ufer liege, bäuchlings, um zu fotografieren.

jaa, und dann bin ich mal wieder aufgestanden (habe mich hochgequält aus meiner liegestellung, um mal einen schluck bier zu schlucken)…und hab mir das ganze da mal angekuckt aus der sicht des vorbeikommenden und mir vorgestellt, wie das aussieht, wie ich da liege, bäuchlings, den kopf im wasser… der hocker steht daneben, die brille liegt fein zusammengeklappt obendrauf, eine leere bierflasche steht daneben…
oha! denk ich mir: irgendwie fehlt nur der abschiedsbrief…

aber is egal, muss ja gemacht werden, isja fürn guten zweck….und so lege ich mich wieder hin und fotografiere die wasserläufer.

die frau, die dann kam, hab ich nicht gesehen, ich hab nicht aufgekuckt, ich hab sie nur gehört, ihre angstvolle stimme, zitternd: “is er tot?”

und stelle mir vor, wie sie sich an ihren partner beisst, bleich wird, panik kriegt…

“nee! issernich!”

“ooooohhhhooohhhhooohhhgottseidank!!!”

ja, gott sei dank!
wem auch sonst sollten wir danken! is ja keiner da, ausser er, der allmächtige, der allgegenwärtige, der alleserklärende, der allesverzeihende, der grundgütige grund für alles elend dieser welt, der erlöser, der witz, der schlechte….

aber es war eine schöne erfahrung: schön zu merken, dass eigentlich alle helfen wollen!!!

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