glockenwetter

glockenwetter

klingt erstmal laut, ist aber genau das gegenteil: gemeint ist nicht die wunderschön nervige gusseiserne kirchene sondern die dunstglocke die sich manchmal um den einsamen wanderer wie ein feuchter mantel legt und dennoch viel angenehmer als ein solcher ihn umgibt.
hauptverantwortlich für dieses wetter zeichnet der herbst: es wird langsam kühler und feuchter: die ausgetrockneten lande sind bald nicht mehr durstig und dünsten ungebrauchtes nass dem vom himmel fallenden entgegen. der lebenszyklus vieler pflanzen neigt sich dem ende, blätter fallen von den bäumen; viel weniger wasser als noch vor kurzer zeit wird benötigt. aber viel mehr ist vorhanden. es füllt den raum um die menschlichen behausungen als feuchte kälte grau und lässt deren bewohner bestenfalls von schmuddelwetter reden und besagte behausungen nur noch ungern verlassen.
wohl war auch ich mal so…aber in der grossstadt und ihren terminen gefangen musste bald jedes noch so kleine loch in diesem blödsinn zur flucht “ins jrüne” genutzt werden – und sich dazu angenehme wetter auszusuchen ging nicht.
nehmen müssend, was da war, stellte ich ziemlich bald überrascht fest, das vorurteilsbelastetes schmuddelwetter eigentlich das schönste ist, welches wir haben:

richtiges glockenwetter ist windstill und die glocke wölbt sich in nuancenlosem hellgrau über betrachter, mobile und immobile wald- oder heide- oder sonstwelche bewohner, jenachdem, wo man grad verweilt. das licht der sonne bricht gleichförmig gedämmt anders als glockenlos – ich weiss nicht wirklich, wie, aber fakt ist, dass dominante dunkle braun- und grüntöne vermatschen, erste rote oder gelbe oder… herbstverfärbungen jedoch hochkontrastig leuchten. ja und flora bewegt sich wirklich nicht!

der gedanke, es glockenwetter zu nennen kam mir spontan als ich zum ersten mal die grandiose akustik desselben vernahm: geräusche, die sonst immer aus grosser ferne zu hören sind wie bellende hunde oder befahrene strassen oder bahngleise sind einfach weg! lediglich flugzeugmotoren finden ihren weg an des betrachters ohr, allerdings nur so sehr, wie es glockenlos die hunde oder autos oder züge schaffen. schallwellen von weitweg schaffen es einfach nicht durch die wasersatte luft.
geräusche innerhalb der kuppel allerdings sind sehr klar und lauter, als gewohnt – schallwellen schaffen es eben auch nicht heraus aus der glocke. die stimmen des waldes sind bei diesem wetter aber auch weniger vorhanden; vielleicht verlieren manche vögel unter glocken ja die lust am singen…vielleicht wissen sie aber auch, dass sie jetzt vom feind viel leichter zu orten sind und halten deshalb den schnabel? meine eigenen schritte im gefallenen laub sind so unangenehm ruhestörend, dass ich am liebsten einfach nur bewegungslos dasitze oder stehe und erlebe.
und wenn dann doch ein waldbewohner sich äussert oder durch erwähntes laub sich bewegt…
unglaublich schöne akustik: schniefende igel, hämmernde spechte, krähende krähen, schlängelnde eidechsen…manchmal höre ich sogar käfer durchs laubwerk krabbeln! ja und wenn dann gar marder, fuchs und reh … sich zeigen und kranich und wildgans unterm kuppeldach sich unterhalten…

besonders eindrucksvoll ist es, wenn ich am ufer eines gewässers auf welchem grosse vögel ihre nächte verbringen unter der glocke sitze: die scheinen sich vorm schlafen”gehen” immer noch lautstark die meinung zu sagen und fühlen sich auf ihren wellen so sicher, dass sie ordentlich krawall dabei machen und das ist unter der kuppel viel beeindruckender als jedes konzerthaus und klingt viel viel schöner! und ehrlicher.

und manchmal fällt permanent ein niesel aus dem kuppeldach der so fein ist, dass ich sein auftreffen auf die umgebung nicht oder nur als ganz feines summen wie eine akustische untermalung wahrnehme und unter die euphorie des erlebens malen würde, wenn ich könnte.

ja, und das ist dann wohl doch sowas wie lieblingswetter…dass ich eigentlich nicht habe…

aber natürlich gibt es auch hier wie überall zur begeisterung den gegenpart: bei glockenwetter ist das licht zum fotografieren allermeistens mehr als bescheiden!
(…aber schon oft hab´ich auch nur genossen und bin ohne ein einziges foto gemacht zu haben trotzdem hochzufrieden zur familie zurückgekehrt)…

 

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